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Bevölkerungszahl einerseits, durch den Charakter
der Bodenbedeckung anderseits bedingte Wert-
relation landschaftlich so verschiedenartiger afri-
kanischer Gebiete ist natürlich nur sehr schwierig
und nur unter genauer Abwägung aller in Be-
tracht kommenden Verhältnisse, zu denen auch die
Lage an schiffbaren, mit dem Weltverkehr in Ver-
bindung stehenden Wasserstraßen als nicht un-
wichtiges bestimmendes Moment hinzutritt, zu
ermitteln.
Die Kommission hat sich nach langen Ver-
handlungen endlich darauf geeinigt, daß Deutsch-
land gegen Aufgabe des größten Teils des
Kundegebietes — auf den Ort Kunde hatte es
nach dem Wortlaut des Vertrages von 1894
ohnehin keinen Anspruch — durch UÜberlassung
eines 2500 qkm großen Urwaldgebietes am
Ssanga zwischen Bomassa und dem Nijue, einem
rechten Nebenfluß des Ssanga seitens Frankreichs
zu entschädigen sei. Was nebenher von dem
ehemaligen französischen Kundegebiet an Deutsch-
land gelangt, ist bedingt durch das stete Streben
der Kommission, hier wie überall längs der
Grenze natürliche Scheidelinien in Form von
Wasserläufen zur Anwendung zu bringen.
Längs der Südgrenze boten der Kie, der
Ntem (Oberlauf des Kampo), sein rechter Neben-
lÜluß Kom, der Aina (Oberlauf des Ivindo), der
Jua und der Dscha sehr geeignete natürliche
Grenzen. Nur zwischen den von der Südgrenz-
erpedition 1906 errichteten Grenzpfeilern Nr. 13
bis 4 bot sich in dem sumpfigen und menschen-
leeren Urwaldgebiet im Osten des Aina und im
Westen des Jua keine irgendwie geeignete na-
türliche Grenze und ist deshalb an dieser Stelle
auf eine Entfernung von etwa 110 km die künst-
liche, durch die genannten Grenzpfeiler leidlich
markierte Grenze notgedrungen beibehalten worden.
Wenn Deutschland längs der Südgrenze im
Westen derselben etwas mehr Gebiet abgetreten
hat, als es von Frankreich am Dscha und an
der Mündung desselben in den Ssanga erhalten
hat, so erklärt sich dies in der naturgemäßen
Höherbewertung dieses von Frankreich abgetretenen
Gebietes, da es an den zum Congobecken mit
leinen guten Verkehrsmöglichkeiten gehörigen
Flüssen liegt. Der Erwerb des im Norden von
Wesso an der Mündung des Dscha in den Ssanga
gelegenen Gebietes für Deutschland wurde nur
dadurch verwirklicht, daß dieses Gebiet zum Teil
in die von Frankreich an der Ostgrenze zu ge-
währende Kompensation für das Kunde—Gaza-
gebiet am Njue-Ssanga mit verrechnet wurde.
4 Im Norden der Grenze drehte sich der Wider-
streit der Interessen hauptsächlich um das Lamidat
Binder, dessen Hauptstadt nach den Feststellungen
der Grenzkommission unzweifelhaft auf französischem
Gebiet, allerdings nur 3,7 km südlich von dem
die Grenze bildenden 10. Parallel gelegen ist,
und auf die Deutschland nach den Vertrags-
bestimmungen keinen rechtlichen Anspruch hatte.
Im ganzen fallen nur etwa 900 akm von dem
Lamidat auf französisches Territorium. Trotz der
gegenseitig gebotenen, räumlich sehr ausgedehnten
Kompensationen für die einseitige Aufgabe der
Ansprüche auf den betreffenden Teil des Gebietes
konnte hier eine Einigung auf eine einheitliche
Ülberweisung des Lamidates an eine der beiden
Mächte nicht erzielt werden. Weder wollte Frank-
reich im Interesse seines ohnehin schon räumlich
beengten Zutrittsgebietes zum Benue-Niger am
Mao-Kabi und der von ihm in der Zukunft hier
beabsichtigten Ausgestaltung seiner Verkehrswege
nach dem Schari-Tschadgebiet auf seinen Anteil
an Binder verzichten, noch war Deutschland in
der Lage, schon im Hinblick auf die geringe
räumliche Erstreckung seines Gebietes am Benue,
das den Zutritt zu Deutsch-Bornu von Adamaua
im Süden offen hält, auf seinen Anteil am
Bindergebiet zu verzichten. So einigte man sich
an dieser Grenzstrecke denn schließlich auf gering-
fügige, eine Scheidung der Dorsfgebiete möglichst
berücksichtigende Grenzänderungen bis an den
Logone.
Der deutsche Besitz am westlichen Schariufer
war für die Verwaltung von Kamerun seit der
tatsächlichen Besitznahme ein Sorgenkind. Das
gänzlich flache, wohl als ehemaliger Seeboden
des vor langen Zeiten wesentlich größeren Tschad-
sees anzusprechende Gelände bildet in der Regen-
zeit vielfach unpassierbare Sumpfstrecken, die von
trägen Wasserläufen mit wenig ausgeprägten
Ufern durchzogen werden; in der Höhe der
Trockenzeit herrscht dort vielerorts oft ein
empfindlicher Wassermangel. Ehemals zweifellos
gut bevölkert, ist das Land durch Sklavenjagden
von der Bornuseite her, dann durch die Rabeh-
wirren am Ende des vorigen Jahrhunderts und
durch die ständigen, auch heute noch nicht völlig
gehemmten räuberischen Einfälle der Bagirmi
sehr stark entvölkert und in seinem Wert zurück-
gegangen. »
Der einzige deutsche Posten in Miltu am
Schari war nicht in der Lage, die Bagirmi—
Räuberbanden an der 1lberschreitung des Schari
und an gelegentlichen Einfällen zu hindern und
den spärlichen Resten der seßhaften Bevölkerung
einen umfangreichen Schutz zu gewähren. Die
französische Verwaltung auf dem rechten Schari-
ufer, überdies durch viele Aufgaben anderweitig
in Anspruch genommen, hatte ihrerseits wenig
Interesse, ihre unbotmäßigen Bagirmi-Schutz-
befohlenen an diesen längs der ausgedehnten
Flußufer an sich schon schwer kontrollierbaren