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sondern auch bestrebt sein, regelrechte Anpflan=
zungen in Gestalt von Plantagen= oder Einge-
borenenkulturen behufs Gewinnung von Gerb-
stoffen anzulegen, damit mit der Zeit die deutsche
Lederindustrie in die Lage kommt, ihren Bedarf
an ausländischen Gerbstoffen wenigstens zu einem
großen Teil aus unseren eignen Schutzgebieten
zu decken. Es steht fest, daß in dieser Beziehung
unsere Schutzgebiete reiche Schätze bergen, die zu
ihrem eignen Wohl und auch zum Nutzen der
deutschen Lederindustrie der weiteren Erschließung
harren. "
Der Krbeitsmarkt in den deutschen Kolonien.)
Der frische Zug, der neuerdings in unser
ganzes koloniales Wirtschaftsleben hineindrang,
hat auch den Arbeitsmarkt in den Kolonien im
verflossenen Jahre in erfreulicher Weise beeinflußt.
Die Gründung einer ganzen Reihe neuer kolonialer
Unternehmungen machte den Zuzug neuer Arbeits-
kräfte erforderlich. Auch die Fortführung der im
Bau befindlichen Eisenbahnen steigerte den Bedarf
an Arbeitern nicht unbedeutend.
In Deutsch-Südwestafrika, das sich, be-
sonders im mittleren und nördlichen Teil, von
den durch den letzten Aufstand geschlagenen
Wunden allmählich wieder erholt, war der An-
drang von Arbeitern und Farmern besonders
stark, zumal diese Kolonie die einzige ist, welche
den Weißen körperliche Arbeit und dauernden
Aufenthalt gestattet. Alte Farmer haben ihre
zerstörten Farmen wieder aufgebaut, an vielen
Orten sind neue angelegt worden, und zahlreiche
junge Landwirte haben mit ihrer Lehrzeit bei
erfahrenen Farmern begonnen, um sich später
selbst in der Kolonie niederzulassen. Auch das
Großkapital beginnt in neuerer Zeit dieser Kolonie
sein Interesse zuzuwenden. Die mit 5 Millionen
Mark unter Beteiligung der Liebig-Compagnie,
London, begründete Deutsche Farmgesellschaft, die
über 1 Million Mk. verfügende Gesellschaft m. b. H.
Schlettwein & Co. sind Beweise hierfür; der Be-
trieb dieser Unternehmungen wird bald eine
größere Zahl von Arbeitern erfordern. Der
Bergbau, der neben der Land= und Viehwirtschaft
in Südwestafrika wesentlich in Betracht kommt,
hat mit der Produktion der Otaviminen von
Kupfererzen einen erfreulichen Anfang zu ver-
zeichnen und wird den Bedarf auch an weißen
Arbeitern immer mehr steigern. Der Bau der
Bahnlinie Aus—Keetmannshoop, die in Kürze
fertiggestellt sein wird, beschäftigt dauernd eine
große Zahl von Handwerkern und Technikern.
*) Aus dem „Reichs-Arbeitsblatt“, April 1908.
(Beitrag des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees).
In Kamerun sind als neue größere Pflan-
zungsunternehmungen die Kamerun-Kautschuk-
Kompanie mit 3 Millionen Mk. und die Deutsche
Kautschuk-Aktien-Gesellschaft mit 2½ Millionen Mk.
zu verzeichnen. Im übrigen sind in diesem Schutz-
gebiet die Verhältnisse die gleichen geblieben. Die
schlechten klimatischen Bedingungen besonders an
der Küste, machen einen häufigen Wechsel des
weißen Betriebspersonals sowohl auf den Pflan-
zungen wie in den kaufmännischen Betrieben er-
forderlich. Zu der im Bau befindlichen Bahn
Duala—Manengubaberge kommt neuerdings der
Bau der Südbahn, für welche man mit den Vor-
arbeiten begonnen hat.
In Togo sind ebenfalls wesentliche ÄAn-
derungen des Arbeitsmarktes nicht eingetreten.
Größere neue Pflanzungsunternehmungen sind
hier im vergangenen Jahre nicht gegründet
worden. Die Inlandbahn Lome—Palime wurde
bereits im Januar verflossenen Jahres eröffnet.
Zur Zeit wird eine Bahnlinie von Lome nach
Atakpame geplant, für die die Vorarbeiten bereits
abgeschlossen sind.
In Deutsch-Ostafrika sind trotz der schlechten
einheimischen Arbeiterverhältnisse wieder eine Reihe
von größeren und kleineren Plantagengesellschaften
ins Leben gerufen worden, womit sich auch der
Bedarf an weißen Angestellten steigerte. Neben
dem Kautschuk und Sisal ist es besonders der
aufstrebende Baumwollbau, der großen Ent-
wicklungsmöglichkeiten entgegensieht und das
deutsche Kapital immer mehr anlockt. Die Eisen-
bahnlinie Daressalam — Morogoro ist vollendet
worden; mit dem Bau der Fortsetzung der
Usambarabahn über Mombo hHiinaus hat man
vor einigen Monaten begonnen. Die Inangriff-
nahme der Linie Morogoro—Tabora wird wieder
einen gesteigerten Bedarf an weißen Angestellten
erfordern. Durch den Bau der Hafenanlagen in
Daressalam, von öffentlichen und Wirtschafts-
gebäuden, den Wegebau u. a. konnten zahlreiche
Arbeiter und Techniker beschäftigt werden.
In der Südsee, wo auf Neu-Guinea die
klimatischen Bedingungen ähnliche sind, wie in
Kamerun, bedingen diese ebenfalls einen häufigeren
Wechsel der weißen Angestellten. Auf dem ge-
sünderen Samoa hat der erfolgreiche Kakaobau
wieder eine Reihe von Kleinfarmern angezogen;
der Bedarf an Arbeitern ist hier gering.
J.
Im nachstehenden soll versucht werden, die
wirtschaftlichen Wechselbeziehungen zwischen der
kolonialen Produktions= und Konsumfähigkeit und
den einheimischen Arbeitsverhältnissen auf
statistischer Grundlage darzulegen.
Das Bedürfnis nach kolonialer Ausdehnung