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Auch Deutschland hat an der Steigerung
des Weltkonsums in erheblichem Maße teilge-
nommen. Wie stark sein Verbrauch von rohem
oder gereinigtem Kautschuk, Guttapercha, Balata-
und dergleichen in den letzten 20 Jahren ge-
stiegen ist, zeigt die nachstehende Übersicht.
Es wurden eingeführt:
„11000 | Mill. 4 1000 Mill.
Jahr ii Mk. Jahr komnen Mk.
168. 32 2244 10,1 5415
1889. 40 28,11899 13,7 76.7
1800 3.0 31,,1100 13,4 J3.8
1801)1. 4,4 256,4100 1. 18,00 433.2
18302. 4.7 25.8 1002 15,00 60.9
1893. 52 23.403 15.6 80,1
1894. 5,06 22.6 174100,4
1395. 68 27,.31905. 21,4142,3
18966 8,3 34,81900 23,8 118,0
1897. 8,6 38,01907. 23,.3 121,59)
Diese Zahlen zeigen, daß der Verbrauch von
Kautschuk und Guttapercha in den letzten zwei
Jahrzehnten auf das Siebenfache gestiegen ist.
Der größte Teil des eingeführten Rohstoffes wird
für die Bedürfnisse des eigenen Landes benötigt
und gelangt in unseren Elektrizitätswerken, Ma-
schinen= und Fahrzeugfabriken zur Verarbeitung.
Daneben hat sich jedoch die deutsche Gummi-
industrie in starkem Maße zur Exportindustrie
entwickelt. Während die ersten Kautschuk ver-
arbeitenden Fabriken in Deutschland in der Zeit
von 1830 bis 1850 entstanden, beträgt ihre
Anzahl heute ungefähr 100 mit rund 110 Mil-
lionen Mark arbeitendem Kapital. Die Zahl der
beschäftigten Arbeiter wird auf 35 000 geschätzt.
Der Wert der jährlich in Deutschland produzierten
Gummiwaren dürfte aus mindestens 200 Mil-
lionen Mk. zu veranschlagen sein. Mit seinem
Rohklautschukbedarf steht Deutschland hinter
den Vereinigten Staaten von Amerika, die jähr-
lich für etwa 200 Millionen Mk. verarbeiten, an
der zweiten Stelle. Als Ausfuhrland für
Gummiwaren dagegen behauptet Deutschland
unter allen Ländern der Erde den ersten Platz;
der Wert seiner Ausfuhr bezifferte sich im Jahre
1907 auf 84,1 Millionen Mk., wovon 47,4 Mil-
lionen Mk. auf Fabrikate, 36,7 Millionen Mk.
auf Rohstofse und Absälle entfallen. Dabei sind
unter den Fabrikaten Kleider und Putzwaren aus
Geweben von Kautschuk, Fahrradreifen und Spiel-
zeug aus Weichgummi nicht eingerechnet. Der
Wert des deutschen Exports beträgt etwa das
Vierfache des amerikanischen und mehr als das
Doppelte des britischen.
Die zunehmende Verwendung von Kautschuk,
*) Der Rückgang des Gesamtwertes erklärt sich
aus dem im Jahre 1907 eingetretenen Sinken der
Kautschukpreise. «
die wachsende Ausdehnung der deutschen Industrie
und das nationalwirtschaftliche Interesse an dieser
Ausdehnung rücken die Frage der Deckung
unseres Bedarfs an diesem Rohstoff in den Vorder-
grund des Interesses.
Die nachstehende Zusammenstellung zeigt, aus
welchen Quellen Deutschland im Jahre 1907
rohen oder gereinigten Kautschuk, weitaus den
wichtigsten der Gummirohstoffe, bezogen hat:
in 1000 Tonnen
Gesamteinfuhr 15.8
D aus:
Brasilien. .....·. 5.0
Kongostat 1,8
Meriko ......... 10
Großbritannien
Britisch-Indien. . «-
Britisch-Afrika *
Britisch-Malakka
37 anderen Herkunftsländen 4.0
Deutsch-Ostafrika ... 0,3
Katucran......... 10
Es kamen demnach fast neun Zehntel
(89,5 v. H.) des von Deutschland bezogenen
Kautschuks aus fremden Wirtschaftsgebieten. Da
der Gesamtwert der Einfuhr dieses Rohstoffes sich
auf rund 109 Millionen Mk. stellte, hatte Deutsch-
land annähernd 100 Millionen Mk. allein für
Rohkautschuk an das Ausland zu zahlen. Die in
geringeren Mengen bezogenen, dem Kautschuk
ähnlichen Kolonialprodukte, Guttapercha (5,3 Mil-
lionen Mk.), Balata (2,2 Millionen Mk.), Kaut-
schuk-, Guttapercha= und Balataabfälle (4,5 Mil-
lionen Mk.), Olkautschuk und Kautschukersatzstoffe
(0,5 Millionen Mk.) wurden ebenfalls fast aus-
schließlich fremden Wirtschaftsgebieten entnommen.
Erscheint diese weitgehende Abhängigkeit des
deutschen Einfuhrbedarfs vom Auslande schon an
sich nicht unbedenklich, so läßt auch die jetzige
Art der Kautschukerzeugung die Schaffung
eigener Produktionsgebiete für den unentbehr-
lichen Rohstoff notwendig erscheinen.
Kautschuk und Guttapercha stammen von
Pflanzen, die sich in sehr verschiedenen Gebieten
finden und Produkte von verschiedener Güte
liefern. Diese Pflanzen unterscheiden sich von
anderen, die uns Rohstosse oder Genußmittel
liefern, wie die Baumwollstaude, der Kakaobaum
oder der Kaffeebaum, dadurch, daß nicht ihre
Früchte, sondern ein hauptsächlich in der Rinde
enthaltener Saft den wertvollen Stoff hergeben.
Es bedurfte also zur Kautschukgewinnung zunächst
nicht erst der Pflanzungen und Kulturen, sondern
man zapfte Kautschukbäume an oder schlug sie
nieder, wo man sie wildwachsend fand.
Dementsprechend wurden sämtliche tropische
Gegenden, in welchen sich Kautschuk liefernde
Pflanzen vorfanden, für seine Gewinnung in An-