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großen Hitze, denn die umgebenden Berge halten
alle Kühlung bringenden Winde fern. Wir
fanden sie indessen, vielleicht dank unserer Ge-
wöhnung an heißere Temperaturen, besser als
ihren Ruf. Im Hafen lagen zwei Schiffe, die
„Albertville“, ein 4000 Tonnen-Dampfer der
Compagnie Belge Maritime du Congo, die einen
dreiwöchentlichen Verkehr zwischen Antwerpen
und Matadi vermittelt, und die „Hirondelle“
die Jacht des gouverneur général, die uns am
nächsten Morgen nach Boma bringen sollte.
Den Abend verbrachten wir auf sehr angenehme
Weise im Hause des Vizekonsuls Schmidt und
seiner Gattin; dort erfuhren wir auch, daß wir
schon in den nächsten Tagen Gelegenheit haben
würden, mit dem englischen Dampfer „Man-
dingo“ der Elder—Dempster-Linie, der Kame-
run anläuft, Boma zu verlassen. Eine andere
regelmäßige Verbindung zwischen dem Kongo
und unserem Schutzgebiet besteht noch nicht.
Zwar war der „Mandingo“ schon an diesem
Morgen, dem 26., von Matadi abgefahren, aber
zunächst nach dem südlich gelegenen St. Paul de
Loanda. Von dort würde er am 29. wieder
zurückkommen und es wäre möglich, ihn an
diesem Tage vor der Kongo-Mündung mit
einem in Boma zu charternden Dampfer zu
erreichen.
Am anderen Morgen brachte uns die schmucke
„Hirondelle“ in zweieinhalbstündiger Fahrt nach
Boma. Die Ufer des Kongo sind anfangs noch
mehrere hundert Meter hoch, Hügel und Höhenzüge
von abgerundeten Konturen, unbewaldet und nur
mit niedrigem Steppengrase bedeckt. Das linke Ufer
ist bereits portugiesisch, wie mehrere Faktoreien
und Stationen, über denen die portugiesische
Flagge wehte, erkennen ließen. Mittags kam
Boma in Sicht, lang hingestreckt, am rechten
Ufer des Stromes. An der Landungsbrücke,
wo die „Hirondelle“ festmachte, empfingen uns
der Generalsekretär des Gouverneurs und der
Kommandant der koree publiqgue, um uns
namens des unpäßlichen Gouverneurs willkommen
zu heißen. Gouverneur géenéral des Kongo-
staats ist zur Zeit M. Fuchs, ein Mann, der seit
fünfzehn Jahren am Kongo weilt, auf mehrjährigen
Reisen durch das ganze Gebiet zum besten Kenner
des Landes geworden ist und sich dank seiner
Erfahrungen und seiner großen persönlichen
Liebenswürdigkeit allgemeiner Wertschätzung er-
freut. Trotz seiner (glücklicherweise schnell vorüber-
gegangenen) Unpäßlichkeit, die von einem Sturz
mit dem Pferde herrührte, empfing er uns beim
Frühstück in seinem Hause; während unseres
zweitägigen Aufenthalts in Boma waren sowohl
er wie die Herren seiner Umgebung in so außer-
ordentlicher Weise um uns bemüht, daß unsere
hohe Meinung von der Gastlichkeit der kongo-
lesischen Herren hier noch eine Steigerung erfuhr.
Boma liegt inmitten grüner Gärten und
schattiger Alleen. Das Haus des Gouverneurs,
das Hospital, private und Amtsgebäude liegen
in einiger Entfernung vom Flusse auf niedrigen
Höhen, die eigentliche Handelsstadt, die Faktoreien
und das Negerviertel ziehen sich am Ufer des
Flusses entlang. Eine Dampfstraßenbahn, deren
Benutzung für Beamte unentgeltlich ist, verbindet
diese beiden Stadtteile. Einen besonders schönen
Platz hat das Gouverneursgebäude inne. Es
liegt in einem hübschen, mit antiken Statuen ge-
schmückten Park. Eine breite Freitreppe führt
von der Straße hinauf. Unter sachkundiger
Leitung wurden uns die wichtigsten Gebände und
ihre Einrichtungen gezeigt, das große Krankenhaus,
die Kaserne, die Schule, das Gefängnis. Dieses
enthält auch einen für Weiße bestimmten Teil,
der aus 30 Einzelzellen und einer gemeinsamen
Messe besteht. Alles, was wir in Boma sahen,
deutet auf große praktische Erfahrung und muster-
hafte Ordnung hin. Der zweite Tag unseres
Aufenthaltes war der Himmelfahrtstag. Aus
diesem Anlaß gab die Stadtkapelle, die aus etwa
zwanzig uniformierten Schwarzen besteht, aber von
einem weißen Kapellmeister dirigiert wird und
sehr Gutes leistet, ein Promenadenkonzert. Es
fand inmitten des Jardin public, einer hübschen
Gartenanlage, statt und versammelte die etwa zwei-
hundert Mitglieder zählende Europäerkolonie bei-
nahe vollständig. Abends hatten wir Gelegenheit,
eine Anzahl der obersten Beamten, zum Teil mit
ihren Damen, bei einem Diner im Hause des
Gouverneurs kennen zu lernen. Inzwischen hatte
sich der Kapitän des in Loanda befsindlichen
Dampfers „Mandingo“ auf telegraphischem Wege
bereit erklärt, uns vor der Kongomündung zu
erwarten. Dorthin sollte uns einer der kleinen
Seedampfer des Freistaats, die zwischen Boma
und Matadi verkehren, der „Wall“, bringen.
So hieß es also am Morgen des 29. Mai
Abschied nehmen vom Kongo! Vom Gouverneur
und den uns bekannt gewordenen Herren be-
gleitet, begaben wir uns an Bord des „Walls“.
Bei lachender Sonne, freudig bewegt in der Er-
wartung, heute, genau nach einem Jahre, das
Meer wieder zu sehen, verließen wir Boma.
Nun hatte unsere Reise auf afrikanischem
Boden ihr Ende erreicht. Herrlich war sie und
ihre Eindrücke werden Jahrzehnte nicht verwischen.
Durch sonnendurchglühte Steppen und uner-
meßliche Urwälder, über vier große Seen und
auf schneebedeckte Gebirge hat sie uns geführt
und uns allen eine Fülle schöner Erinnerungen