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gebiet wirklich nützlichen Klasse von Buren zu
rechnen, welche zu den später die Mitte und den
Süden des Landes bevölkernden nomadisierenden
sog. Treckburen einen erfreulichen Kontrast bilden.
Freilich bieten auch die besten Burenfarmen ein
von den prosperierenden deutschen Farmbesitzungen
grundverschiedenes Bild. Ins tote Kapital wird
nicht viel gesteckt; in dem engen Haus wohnt
der Bur mit der meist sehr zahlreichen Familie
höchst patriarchalisch; erwachsene verheiratete Söhne
und Schwiegersöhne ziehen es — statt sich einen
eigenen Farmbesitz zu gründen — gewöhnlich
vor, sich auf der väterlichen Scholle ein kleines
Nebenhaus zu bauen, und so gleicht manche
Burenfarm fast einem kleinen Dorf, belebt von
zahlreichen Leuten und Kindern aller Alters-
stufen, die man gewöhnlich abends, wenn das
Vieh von der Weide kommt und in die Kraals
eingezählt wird, um den Farmbesitzer, den alten
Erzvater, versammelt sieht. In den oft aus-
gedehnten Gärten fehlt vielfach systematische
Ordnung, so daß Obst= und Gemüsesorten der
verschiedensten Art oft in kunterbunter Mischung
durcheinander stehen. Das ganze Dasein vollzieht
sich in beschaulicher Ruhe und der Grundsatz
time is money scheint trotz der Wertschätzung
des letzteren Faktors noch keinem rechten Ver-
ständnis zu begegnen, wie überhaupt die Kraft
des Buren mehr in der Beharrlichkeit, als im
Vorwärtsstreben, mehr im Bewahren, als im
Produzieren besteht. Immerhin besitzt der Bur
in seiner Bedürfnislosigkeit, seiner genauen Kennt-
nis des Viehs und der BViehkrankheiten sowie
schließlich in seinem großen Talent zur richtigen
Behandlung der Eingeborenen Eigenschaften, von
welchen der deutsche Farmer wohl lernen kann.
Von Uitkomst aus passieren wir eine weite
steinlose, tiefgründige Grasfläche mit vorzüglichem
Ackerboden. Am Nordrande derselben liegen die
Farmen Paviansfontein und Abachobib, letztere
ausgezeichnet durch ihre Eukalyptenpflanzungen
und Obstanlagen sowie durch eine bereits auf
130 ha sich erstreckende Ackerkultur. Jenseit der
nächsten Bergkette befindet sich das wunderbar
gelegene Ghaub, die Farm der rheinischen Mission
mit ihren reichen Maisfeldern, einer bereits recht
ertragsreichen Bananenpflanzung und zahlreichen
Mais= und Weizenkulturen der umwohnenden
Bergdamaras und Buschleute.
Nach knapp zweistündigem Ritt von Uitkomst
sehen wir auf dem vor uns liegenden bewaldeten
Höhenrücken eine Anzahl weißer Gebäude in der
Sonne leuchten und befinden uns kurz darauf
in Grootfontein, dem Zentrum des bisherigen
Farmgebiets.
Von wirtschaftlichem Interesse sind hier die
landwirtschaftlichen Versuchsanlagen, welche im
Anschluß an bereits vorgefundene Obstgärten kurz
nach meiner Übernahme der Bezirksverwaltung
im Sommer 1906 begonnen wurden: Auf einem
etwa 10 ha großen eingefriedigten Gelände,
welches auch den Quellkopf und die Wasserläufe
vollkommen in sich schloß, wurde nach erfolgter
Wasserregulierung und Ausbau von zur Be-
rieselung wie auch zur Fischzucht und zu Bade-
zwecken geeigneten Teichen zunächst ein größerer
Forstgarten angelegt; aus ihm sind inzwischen
schon einige Freipflanzungen hervorgegangen.
Von den speziell landwirtschaftlichen Anlagen will
ich nur den erweiterten Anbau von Wein und
einer großen Anzahl edler Obstsorten erwähnen;
auch mit den verschiedensten Tabaksorten, gerb-
stoffhaltigen Pflanzen, dem Olivenbaum und der
spanischen Korkeiche sowie mit einer Reihe
exotischer Futterpflanzen wurden Versuche ge-
macht. Als ein wichtiges Resultat hat sich dabei
u. a. ergeben, daß unter den Grootfonteiner
Regenverhältnissen (etwa 600 bis 800 mm) die
Luzerne auf geeignetem Boden auch ohne künst-
liche Berieselung vorzüglich gedeihen kann. Das
gleiche Resultat ergab sich für die Baumwollstaude,
deren von Togo eingeführte Saat auf verschiedenen
Flächen zu verschiedenen Zeiten zur Aussaat ge-
langte und teils bewässert, teils unbewässert ge-
lassen wurde. Die zunächst in kleiner, später in
größerer Quantität gewonnenen und nach Deutsch-
land gesandten Produkte fanden sowohl seitens
der Bremer Baumwollbörse wie seitens der
Chemnitzer Aktienspinnerei eine ausgesprochen
günstige Beurteilung.“)
In der nördlich sich hinziehenden Hügelland-
schaft wie auch auf der südlich nach dem Großen
Fluß sich ausbreitenden Fläche, über welche das
Auge des Beschauers von der Grootfonteiner
Höhe aus wie über den Ozean frei hinweg-
schweift, um erst am äußersten Horizont in dem
langgedehnten Palmenwald von Otjituo und
Otiomaware einen Ruhepunkt zu finden — in
dieser ganzen Gegend befinden sich eine große
Anzahl jetzt meist von Deutschen bewirtschafteter
Farmen, welche in Viehzucht wie Ackerbau eine
sehr gute Zukunft verheißen und dem Besucher
jetzt schon Wirtschaftsbilder bieten, die er in den
übrigen Teilen des Landes vergebens suchen wird.
Verlassen wir Grootfontein, die Perle Süd-
Wests, und wenden wir uns wieder unserer all-
gemeinen Betrachtung zu, so können wir rück-
blickend das Gesagte folgendermaßen zusammen-
fassen:
Die ländliche Besiedlung in der Mitte und
) Über Baumwollkultureni in Deutsch. Süd-
westafrika bvgl. „Deutsches Kol. Bl.“ Nr.
Seite 31 und Nr. 6 Seite 294. Die ed