Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Zügen haben sie vielfach etwas Rohes und Bai- 
ningartiges. Prognatismus tritt mehr hervor. 
Sie find Langschädel und von mittlerer Größe, 
von kräftigem, wohlproportioniertem Körper-, aber 
von erheblich gröberem Knochenbau, als die vorher 
erwähnten Papuas. Manche waren von oben 
bis unten pechschwarz bemalt, mit bunter Deck- 
farbe im Gesicht, ein Zeichen, wie ich glaube, daß 
sie schwarze Leute sein wollen, daß das Schwarz 
ihrer Haut ihr Stolz und Ehrgeiz ist, nicht das 
Braun der Küstenstämme. Sie sind nicht be- 
schnitten, die Schamhaare sind wegrasiert. Wie 
in ihrer ganzen Erscheinung, so haben sie auch 
in ihrer Haartracht wenig Papuaartiges an sich. 
Die riesige Frisur ist verschwunden; Weiber und 
junge Leute sind meistens ganz kurz geschoren; 
sie tragen, wie wir sagen würden, einen „Stifte- 
kopf“. Die erwachsenen Männer lassen ihr Haar 
in langen Strähnen an allen Seiten des Kopfes 
herunterhängen. Es sieht aus, als sei jede einzelne 
auf einem dünnen Lockenstock aufgewickelt gewesen. 
Alles ist mit öliger Farbe durchtränkt, sieht tief- 
schwarz aus und klebt. Ausgeprägte Ziernarben 
in Form von Halbkreisen um die Brustwarzen 
herum und am Gesäß fallen auf. Die Leute sind 
wenig bekleidet, meist ganz nackt. Auf ihren 
Kulturbesitz und ihre Kunstfertigkeit einzugehen, 
würde hier zu weit führen. Es mag nur erwähnt 
sein, daß sie die Töpferei besitzen, daß ihnen der 
Bogen unbekannt ist und daß das in dieser ganzen 
Gegend übliche Wurfbrett stromaufwärts immer 
seltener wird. Die lange Lanze à la Baining 
scheint an seine Stelle zu treten. 
Linguistisch habe ich infolge des erwähnten 
Dolmetschermangels nicht das Geringste festzustellen 
vermocht. Um diesem Ubelstande ein wenig ab- 
zuhelfen, gleichzeitig aber auch, um das Gouverne-= 
ment bei der Anwerbung, die unter diesen Um- 
ständen natürlich ausnahmslos versagte, zu unter- 
stützen, erbot ich mich, an dem zuletzt erreichten 
Ort vierzehn Tage allein zurückzubleiben. Man 
kann innerhalb dieser Zeit sprachlich schon ganz 
Erhebliches leisten, und ich wußte ferner aus 
eigener persönlicher Erfahrung, daß, wenn die 
Eingeborenen des weißen Mannes Tun und Wandel 
kennen gelernt, wenn sie beobachtet haben, wie er 
kocht, wie er ißt und trinkt, wie er befiehlt, wie 
er gütig, wie er streng ist — daß sie dann Ver- 
trauen zu ihm gewinnen und daß in Vielen die 
Begierde wach wird, auf dem Wege der Anwer- 
bung das Land dieser wundervollen Menschen 
kennen zu lernen. Ich wollte zu meiner eigenen 
vierköpfigen Truppe nur noch fünf Soldaten haben, 
um nachts einen Posten stellen zu können. Die 
„Langeoog“ sollte ihre Fahrt ohne mich fortsetzen 
und nach etwa zwölf Tagen auf ihrer Rückreise 
den Fluß noch einmal hinaufdampfen, um mich 
  
und die etwa Angeworbenen abzuholen. Ich erbot 
mich, dann für eine weitere zweitägige Fahrt 
stromaufwärts und für die entsprechende eintägige 
Fahrt stromabwärts die entstehenden Mehrkosten 
im Interesse der Forschung aus dem Expeditions- 
fonds zu zahlen. Die Annahme dieses Vorschlags 
wurde jedoch von der Leitung wegen Zeitmangels 
abgelehnt. 
So traten wir denn am Morgen des 24. No- 
vember die Rückfahrt an, die glatter ablief, als 
Kapitän Roscher zu hoffen gewagt hatte. Nach 
Ausfahrt aus dem Strom ging die „Langeoog“ 
am Morgen des 26. bei Utam im Mündungs- 
gebiet vor Anker. Mit dem von mir in Derpuap 
und den beiden, von der Leitung besorgten Dol- 
metschern fuhr ich hier an Land, um für einen 
Tag ins Innere zu gehen, während die „Langeoog“ 
inzwischen an anderen Stellen arbeiten und am 
Abend zurückkehren wollte. Bei Annäherung der 
„Langeoog“ waren sämtliche Weiber und Kinder 
des Dorfes auf die Lagune geflohen. Ich mußte 
sie daher erst beruhigen und warten, bis zwei 
gute Einbäume für meinen Gebrauch zurückgekehrt 
waren. Um die Mittagsstunde konnte ich endlich 
abfahren und sauste dann mit Ausnahme einer 
etwa einstündigen Pause im Dorf Mobu bis zum 
späten Abend andauernd in schnellster Gangart 
über die Lagune dahin. Die Fahrt ging meist 
in südlicher, aber auch in südöstlicher Richtung. 
Zwei Einbäume hatte ich bei mir, ein dritter 
ging unter dem Dolmetscher aus Derpuap in be- 
sonderem Auftrag ab, um später wieder zu mir 
zu stoßen. Genau wie bei der früheren Fahrt 
war ich mit meinen dieser Fahrzeuge unkundigen 
Leuten gezwungen, flach auf dem Boden des 
Einbaums zu sitzen. Das war diesmal um so 
unerfreulicher, als es während der Reise meist 
heftig regnete, so daß ich andauernd in einer 
Wasserschicht saß. Das Wasser der Lagune habe 
ich wiederholt geprüft. Es ist zunächst stark salz- 
haltig, wird dann brackig und schmeckt schließlich, 
in der Gegend des Zuflusses vom Augustastrom, 
fast wie Süßwasser. Bald nach Beginn der Fahrt 
begleitete uns längere Zeit ein großer Haifisch in 
peinlicher Nähe; die reine Mangrovenvegetation 
der Küstengegend wird nach dem Innern und 
dem Strome zu immer mehr durch eine Flußufer- 
vegetation abgelöst. Bei der Rückfahrt im Dunkeln 
wurde nach der Küste zu ein immer stärkeres 
Meerleuchten beobachtet. 
Nach längerer Fahrt näherten sich meine 
beiden Einbäume dem Buschdorf Mabu; kurz 
vorher war noch eine künstliche Flußsperre zu 
überwinden, über die unsere Fahrzeuge gezogen 
werden mußten. In strömendem Regen erreichte 
ich das halb unter Wasser gesetzte Pfahldorf. 
Sofort ging es oben in das Haus-Tamboranu
	        
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