Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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lich kontrollierte Viehbücher zu diesem Zwecke einzu- 
führen. Uber derartige Einrichtungen und über die 
damit gemachten Erfahrungen konnte nicht viel ermittelt 
werden. Auch aus meinem dreijährigen Aufenthalt 
in Südamerika kann ich mich nicht erinnern, daß die 
Sache dort eine bedeutsame Rolle spielt. Jedenfalls 
müßte mit der Viehbeleihung die Viehversicherung Hand 
in Hand gehen, die sich aber bisher als recht schwicrig 
erwies. 
6. Auch in Deutsch-Ostafrika ist die Gründung 
einer Genossenschaftsbank geplant bzw. bereits im 
Gange, die gleichfalls der Förderung des Personal-= 
kredits der Pflanzer dienen soll und auch an örtliche 
Darlehnskassen denkt. Auch die Pflege des Ernte- 
kredits ist von ihr in Aussicht genommen. Auch sie 
sucht Anschluß an das deutsche Genossenschaftswesen 
und namentlich für die ersten Einrichtungen nach einer 
billigen Kreditquelle im Mutterlande. Die Verhält- 
nisse liegen also hier ganz ähnlich wie in Südwest- 
afrika. Nur daß in Ostafrika die Organisation erst in 
Vorbereitung begriffen ist. 
7. In Samoa sind die Bestrebungen für eine ge- 
nossenschaftliche Darlehnskasse zur Förderung des 
Personalkredits der Pflanzer schon mehrere Jahre alt, 
ohne zu einem Ziele geführt zu haben. Gleichzeitig 
treten dort aber jetzt lebhafte Forderungen nach einem 
kaufmännischen Bankinstitute auf, welches alle kauf- 
männische Bankgeschäfte wie auch den Geschäftsverkehr 
mit dem Gouvernement zu pflegen hätte. Das letztere 
könnte ein zinsloses Guthaben von etwa 300 000 .4 
bei der Bank halten. Man würde besonderen Wert 
darauf legen, eine Filiale einer deutschen Großbank 
dort zu sehen. Auf Grund bereits vorliegender An- 
träge steht zu erwarten, daß sich eine australische Bank 
in Samoa niederlassen würde, wenn nicht bald ein deut- 
sches Bankinstitut sich dort etabliert. Ob ein solches 
kaufmännisches Bankinstitut den Wünschen der Pflanzer 
nach Personalkredit voll gerecht werden könnte, er- 
scheint aber fraglich. Für diesen Kredit käme eher 
eine landwirtschaftliche Darlehnskasse, wie sie z. B. die 
Franzosen in Tahiti mit der Caisse agricole de Tahiti 
schon seit längerer Zeit begründet haben, in Betracht. 
Diese letztgenannte Kasse scheint übrigens auch die 
Geschäfte des Gouvernements zubesorgen, von diesem Vor- 
schüsse zu empfangen, ihm aber auch Vorschüsse zu geben. 
II. Landwirtschaftlicher Meliorationskredit. 
1. Eine besondere Bank für kolonialen Meliora- 
dionskredit nach Art unserer deutschen Landeskultur- 
rentenbanken mit unkündbaren Amortisationsdarlehen 
unter Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den 
Inhaber und — wie diese deutschen Banken — mit staat- 
lichem Kapital begründet, ließe sich wohl denken, doch 
liegt es dann wohl näher, an eine allgemeine koloniale 
Agrikulturbank für die verschiedenen Zweige des land- 
wirtschaftlichen Kredits, sei es für ein Schutzgebiet 
oder für sämtliche Schutzgebiete, zu denken. Aus- 
reichendes privates Kapital für eine solche Landeskultur- 
rentenbank, sei es für sämtliche Schutzgebiete, oder, 
was näher liegt, nur für Südwestafrika, zu erhalten, 
wird man kaum erwarten können. Wohl aber käme 
die Beteiligung von Privatkapital neben dem staat- 
lichen Kapital, namentlich seitens der großen südwest- 
afrikanischen Gesellschaften in Betracht. Jedenfalls ist 
Meliorationskredit gerade dasjenige, was ein Schutz- 
gebiet wie Südwestafrika zur Zeit am meisten braucht, 
da es sich meist darum handelt, dem Boden durch Me- 
liorationen erst den Wert zu geben, der ihn dann 
später für den reinen, ohne Verwendungszweck zu ge- 
währenden hypothekarischen Bodenkredit beleihungs- 
würdig erscheinen läßt. Den verhältnismäßig selteneren 
  
Fällen, wo schon reiner ländlicher Bodenkredit am Platz 
ist, könnte bei der Organisation wohl leicht Rechnung 
getragen werden. Selbstverständlich würde auch der 
Meliorationskredit hypothekarisch zu sichern sein. Man 
hat vorgeschlagen, bei einem wohl individualisierten, 
mit der fortschreitenden Entwicklung des Meliorations- 
werkes ratenweise gegebenen Meliorationskredit eine 
Beleihung bis zu 50 % des Bodenwertes eintreten 
zu lassen. 
2. Die Kontrolle des Verwendungszweckes für den 
Meliorationskredit kann entweder der Agrikulturbank, 
die den Kredit gibt, überlassen oder auf Genossen- 
schaften übertragen werden. Im ersteren Falle 
müßten besondere Prüfungskommissionen nach Art 
unserer Preußischen Kommissionen oder sonstige Prü- 
fungsorgane organisiert werden. Eine gewisse Nach- 
prüfung wäre auch den Genossenschaften gegenüber 
noch am Platze. Den Genossenschaften könnten staat- 
liche Mittel für Meliorationen auch wieder, wie beim 
Personalkredit schon erörtert wurde, durch Vermitt- 
lung und unter Kontrolle einer deutschen Zentral- 
genossenschaftskasse zugewendet werden. Die Prüfung 
des VBerwendungszweckes ist in einem Lande wie 
Südwestafrika um so dringender und um so subtiler 
zu organisieren, als es sich nicht um eine landwirt- 
schaftliche Entwicklung in alten und bekannten Gleisen, 
sondern vielfach um Erperimente handelt, deren Fehl- 
schlagen das Meliorationskreditinstitut schädigen würde. 
Neuerdings ist auch vorgeschlagen worden, ein Zwischen- 
glied zwischen den Empfängern des Meliorations- 
kredites und dem Kreditinstitute einzuschieben durch 
eine große Meliorationsgesellschaft, welche die Me- 
liorationen ausführt für den betreffenden Kredit neh- 
menden Farmer. Auch der Kredit soll nicht an diesen 
selbst, sondern an die Meliorationsgesellschaft mit dem 
Fortschritt der Melioration in Raten ausgegahlt werden. 
Um ein Kreditinstitut kommt man aber auch auf diese 
Weise wohl nicht herum, wenn man nicht das System 
weitgehender direkter Staatsdarlehne für Meliorationen 
bzw. an die Meliorationsgesellschaft als technisches Zeu- 
tralunternehmen für das Schutggebiet annehmen. will. 
3. Von dieser Meliorationsgesellschaft bis zur 
Meliorationsunternehmung des Staates in eigener 
Regie wäre aber nur noch ein Schritt, namentlich wenn 
die Meliorationsgesellschaft in ihren Gewinnchancen 
vertraglich beschränkt ist. Wie gezeigt wurde, ist in 
verschiedenen Kolonien die direkte Staatstätigkeit für 
Melioration, insbesondere Bewässerungen, die haupt- 
sächlich für Südwestafrika in Betracht kommen, eine 
sehr rege. Jedenfalls würden größere Bewässerungs- 
unternehmungen auch neben der Tätigkeit einer Agri- 
kulturbank noch vom Staate oder von der mit ihm 
in Verbindung stehenden Meliorationsgesellschaft aus- 
geführt werden können. Auch im deutschen Mutterlande 
betätigt sich der Staat in steigendem Maße als Unter- 
nehmer von Talsperren, wofür bis jetzt etwa 80 Mil- 
lionen Mark teils ausgegeben, teils bewilligt sind. 
Der Staat hat daran meist in Verbindung mit Pro- 
vinzen und Kommunen einen erheblichen Anteil. 
III. Landwirtschaftlicher Bodenkredit. 
1. Objekt für den Realkredit, den cigentlichen 
Bodenkredit, ist nur der Grund und Boden selbst mit 
seinen Meliorationen und gegebenenfalls noch den 
Gebäuden. Das ganze Jnventar, namentlich auch das 
BVieh, kommt für den Roalkredit nicht direkt in Betracht. 
Das ist namentlich für Südwestafrika von Wichtigkeit. 
Das Privatkapital hält sich schon in Deutschland weit 
überwiegend nur an den städtischen Grundkredit und 
wird wohl noch weniger in den Schutzgebieten für den 
Bodenkredit des platten Landes in ausreichender Weise
	        
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