Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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bemerkt zu werden, konnten jedoch auch ihrerseits 
das Feuer nicht eröffnen. Bei eintretender Klarheit 
begann die Beschießung. Die Engländer rich- 
teten das Feuer nicht gegen die Forts (1), sondern 
fast ausschließlich gegen den inneren Hafen, weil 
ihnen von dort das Vorhandensein geflüchteter 
deutscher Handelsschiffe gemeldet worden war. 
Ihre Granaten beschädigten auch tatsächlich mehrere 
Kauffahrer, nicht nur deutscher, sondern auch 
holländischer, portugiesischer und südamerikanischer 
Nationalität. Die Stadt litt beträchtlichen Schaden, 
alle im Hafen liegenden Schiffe wurden dienst- 
untauglich gemacht, 14 Europäer und 20 Ein- 
geborene wurden gefangen genommen. Die Ver- 
luste der Engländer betrugen 1 Toten und 
12 Verwundete. 
Abgesehen von der Richtigkeit der Tatsache 
der Beschießung selbst, ist der übrige Inhalt dieser 
englischen Meldung, wie wir jetzt wissen, irre- 
führend, ja zum großen Teil direkt unwahr. Am 
meisten fällt dabei auf, daß auch das Datum 
der Beschießung gefälscht ist; eine Untersuchung 
der Gründe dafür würde hier zu weit führen. 
Der Gouverneur von Deutsch-Ostafrika meldet 
darüber folgendes:') „Am 28. November, 5 Uhr 
nachmittags, erschienen auf der Außenreede vor 
Daressalam zwei englische Kriegsschiffe, die später 
als das Schlachtschiff „Goliath“ und der Kreuzer 
„Fox“, sowie zwei andere Schiffe, die als die 
von den Engländern gekaperten Schlepper der 
Ostafrika-Linie „Hellmuth“ und „Kadett“ erkannt 
wurden. Einer der letzteren suchte die Außen- 
reede nach Minen ab. Nach Verhandlungen unter 
Parlamentärflagge wurde den Engländern die 
Einfahrt einer Pinasse in den Hafen zu dem 
Zweck gestattet, sich davon zu überzeugen, daß die 
dort liegenden Dampfer der Deutschen Ostafrika- 
Linie nicht betriebsfähig seien. Unter Bruch der 
getroffenen Abrede ließen jedoch die Engländer 
eine weitere, mit Maschinengewehr bewaffnete 
Pinasse einfahren, legten sofort an den deutschen 
Dampfern an, nahmen an den Maschinen 
Sprengungen vor und machten Teile der Dampfer- 
besatzungen zu Gefangenen. Als nun auch noch 
eine dritte armierte Pinasse in den Hafen ein- 
fuhr, wurde unserseits mit einem Maschinen- 
gewehr das Feuer eröffnet. Darauf begannen 
die englischen Kriegsschiffe die Beschießung und 
richteten ihr Feuer in erster Linie auf das 
Gouverneurspalais, das vollkommen zerstört 
wurde, und auf die Umgegend der Hafeneinfahrt. 
Unter dem Schutze des Feuers der Schiffe gelang 
den Pinassen mit Verlusten die Wiederausfahrt 
aus dem Hafen, unter Mitnahme von 15 Europäern, 
einschließlich einer Wärterin, ferner 10 Arabern, 
*) In der Hauptsache bereits veröffentlicht. 
  
8 Chinesen und 2 Indern der Besatzungen der 
Dampfer „Feldmarschall“ und „König“. Der 
übrigen Besatzung war es geglückt, vorher an 
Land zu flüchten. 
Die dritte Pinasse hatte, als sie beschossen 
wurde, Kehrt gemacht. Dem Schlepper „Hell- 
muth“ gelang der Durchbruch um 130 nachmittags 
mit zwei Rettungsbooten von den D. O. A. L.= 
Dampfern im Schlepp. Die dritte Pinasse brach 
um 430 nachmittags durch, ließ aber vor der 
Einfahrt zwei unserer Leichter und ein Boot im 
Stich. 
Die Beschießung dauerte bis 5 Uhr nach- 
mittags, worauf die Schiffe die Reede verließen 
und außer Sicht kamen. Das Schlachtschiff 
„Goliath“ (14000 t) schoß aus 30,5= und 15 cm- 
Geschützen. Abgegeben wurden etwa 200 Schuß. 
Soweit bekannt, sind keine Verluste an Menschen- 
leben entstanden. 
Der an den Maschinen der Schiffe durch die 
Sprengungen entstandene Schaden wird beim 
Dampfer „Feldmarschall“ auf 100 000, beim 
„König“ auf 150 000 . geschätzt. Unserseits 
wurden durch Leutnant Soeten und einige Askari 
auf dem „Feldmarschall“ der Leutnant Com- 
mander Patterson, zwei Leutnants und 8 Mann 
gefangen genommen. 
Am 29. November früh erschienen die gleichen 
Schiffe wieder vor Daressalam. Seitens des 
Kreuzers „Fox“ wurde ein Signal zum Senden 
eines Bootes gegeben und dann die weiße Flagge 
gehißt. Das Signal blieb unserseits mit Rücksicht 
auf den schweren Vertragsbruch der Engländer 
am Tage vorher unbeantwortet. Um 12 Uhr 
näherte sich „Kadett"“ mit weißer Flagge und 
dem Signal, ein Boot zu senden, fuhr aber nach 
vergeblichem Warten wieder zurück. „Fox“ 
wiederholte die weiße Flagge, und beide Kriegs- 
schiffe näherten sich. Um 210 nachmittags begann 
die erneute Beschießung, bie bis 440 nachmittags 
dauerte. Es wurden Salven gefeuert und 300 
bis 400 Schuß abgegeben. 
Schwer beschädigt sind: Bezirksgericht, Kasino, 
Bank,. Usagara (Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft), 
Kaiserhof, Vermessungsbureau, Eingeborenenschule, 
Brauerei, Bauamt und die Wohnungen Niemer, 
Heuer, Büttner, Heinrich und Morzelina. Im 
Rekrutendepot wurden mehrere Askariweiber ge- 
tötet und verwundet. Sonst sind, soweit bekannt, 
keine Verluste an Menschenleben entstanden. 
Um 520 nachmittags näherte sich wieder ein 
Schlepper unter weißer Flagge. Unserseits wurde 
keine Antwort gegeben. Schnee.“ 
Man vergleiche mit vorstehender amtlicher 
Meldung die Angaben des Reutertelegramms. 
Die Vorgänge vor der Beschießung verschweigt
	        
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