Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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Aufwaschschüssel. So vergingen die ersten Tage. 
Bald waren unter diesen Verhältnissen 18 Per- 
sonen erkrankt. 
Nach mehrtägiger Fahrt kamen wir nach 
Lagos, dort, so hieß es, sollten wir bleiben. 
Die Engländer hatten Furcht vor den Deutschen, 
denn die Häuser waren ganz mit Sandsäcken 
verbarrikadiert; Kanonen, von schwarzen und 
weißen Soldaten bedient, waren zum Schutz auf- 
gestellt. Wir blieben hier zwei Tage. Die Bafler 
und katholischen Missionare gingen ans Land; 
weil wir aber keine Beziehungen dort hatten und 
auch kein Geld, blieben wir an Bord. Missionar 
Werner wurde hier ebenfalls krank. Am dritten 
Tage fuhr dann der „Niger“, ein noch kleinerer 
englischer Dampfer, an uns heran. Ehepaare 
und einzelne Damen mußten nun auf ihn über- 
siedeln. Wir hatten Decken bekommen mit 
der dreimaligen Aufschrift „Gefangener“ 
und dem englischen Abzeichen für Zucht- 
häusler. Auf dem „Niger“ brachten wir Tag 
und Nacht gerade über der Schiffsschraube zu. 
Wir waren wie gerädert. Auch hier wohnte alles 
auf Deck, mit Affen, Hühnern und sonstigen Tieren 
zusammen. In Lagos wurde Missionar Werner 
von uns getrennt. 
Wir wurden nach der Goldküste gebracht. 
Unter einem Heidenlärm ruderten uns die Ein- 
geborenen durch die starke Brandung an den 
Strand von Accra. Auf großen schmutzigen Last- 
autos wurden die Damen und Kinder, unter Be- 
werfen mit Steinen, Bespeien usw. seitens der 
Eingeborenen, fortgebracht. Es war sehr heiß 
und wir waren ganz mit gelbem Sand bedeckt. 
Hätte an diesem Tage Frau Missionar Zürcher 
von der Basler Mission nicht für uns gesorgt, 
die Engländer hätten uns wieder einmal hungern 
lassen. Vor unserem Hause waren vier schwarze 
Soldaten mit Gewehr und Bajonett aufgestellt, 
die jeden unserer Schritte beobachteten. Man 
fühlte ihnen so recht ihre Freude an, die 
Weißen kommandieren zu können. Das 
Essen kochte ein Schwarzer. Viel Schmutz war 
darin, der Appetit verging schon beim Ansehen. 
Unter diesen Verhältnissen verbrachten wir drei 
Wochen. Dann sagten uns die Engländer, wir 
Missionsleute (die Missionare Märtens und Riechert 
mit ihren Frauen und ich) sollten in die Werk- 
statt der Basler Mission ziehen. Wir fügten uns; 
doch als wir dort waren, kümmerte sich die Re- 
gierung nicht mehr um unsere Versorgung, wir 
mußten selbst Essen kaufen, und da wir kein Geld 
mehr hatten, liehen wir uns von der Basler 
Missionshandlung, was wir brauchten. Nach 
weiteren drei Wochen fuhr an einem Sonnabend 
ein Lastauto mit einigen schwarzen Schutzleuten 
vor mit der Nachricht: „In 20 Minuten kommen 
  
wir zurück, bis dahin muß alles fertig gepackt 
sein!“ So wurden wir von einer Ecke in die 
andere geschoben. Als wir noch nicht ganz fertig 
waren, sagte man uns: „Wenn ihr nicht sofort 
kommt, dann tragt ihr eure Sachen selbst.“ So 
ging es in aller Eile. Frau Riechert nahm noch 
ein Brot unter den Arm und so fuhren wir fort, 
nicht ahnend wohin. Man schaffte uns — es 
war ½ 8 Uhr abends — in eine leere Schule, 
wo sich auch die am selben Tage gefangenen 
Deutschen aus Accra befanden. Bald darauf trat 
dort das traurigste Ereignis, die schwerste Zeit 
unserer Gefangenschaft ein: der Heimgang unserer 
teuren Frau Märtens. Ihr Hinscheiden war eine 
Befreiung für sie. 
Montag, den 7. Dezember, mußten wir wieder 
packen. Nachmittags wurden wir auf Lastautos 
zum Strand gebracht und von dort aus mit 
Booten auf die „Apam“, einen englischen Dampfer, 
wo wir zu unserer Freude die Missionare Genz 
und Wolff mit ihren Frauen und Missionar Orthner 
antrafen, ebenso die Schwestern Hauschildt und 
Siegenthaler. So waren wir elf Missionsge- 
schwister allein von unserer Kamerun-Mission auf 
der „Apam“. Man hatte alle Weißen, ob Deutsche 
oder neutrale Holländer, Schweizer oder Ameri- 
kaner, aus der Kolonie geschafft und behandelte 
auch letztere wie Kriegsgefangene. Montag, den 
28. Dezember, kamen wir nach Liverpool. 
Dienstag verließen wir das Schiff. Die Ehe- 
paare wurden wieder getrennt. Das waren 
erschütternde Szenen, als die, von den vielen 
Strapazen und Entbehrungen müde gewordenen 
Mütter und Kinder nun allein standen und die 
ganze Verantwortung allein auf sich gelegt fühlten. 
Zu je 40 wurden die fast 250 Herren unter Be- 
wachung abgeführt, um dann in England nicht 
mehr von ihren Frauen und Kindern gesehen 
zu werden. Die Frauen kamen in eine Her- 
berge. Zu unserer Freude kamen später einige 
Herren des amerikanischen Konsulats, welche unsere 
Überführung nach London übernahmen. Als 
wir uns auf der Fahrt von der „Apam“ zur 
Herberge befanden, sahen wir, wie Liverpooler 
Jungen eine tote Ratte im Schmutz wälzten und 
einer unserer Damen ins Gesicht warfen. Auch 
uns bewarf man mit Schmutz und Steinen. In 
London nahm sich unser, weil nicht alle gleich 
nach Rotterdam abreisen konnten, der Deutsche 
Wohltätigkeitsverein an, ließ uns im dortigen 
„Deutschen Hotel“ unterbringen und sorgte für 
uns. Hier fühlten wir uns nach langer Zeit zum 
erstenmal wieder wie Menschen. Nach zwei 
Tagen fuhren wir dann zum Rotterdamer Dampfer. 
Vorher mußten wir uns aber noch einer Leibes- 
untersuchung durch eine Polizistin unterziehen. 
Am nächsten Tage kamen wir nach Rotterdam
	        
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