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einen Steuererheber gekommen. Alle Versuche
des Gouvernements, den Bargeldverkehr einzu-
führen, bleiben ergebnislos, wenn so jeder Frank
aus dem Lande gezogen wird. Bezeichnend sind
die Resultate der Steuererhebung in dem Terri-
toire Luluaburg, d. h. einem Territoire, in dem
die Kautschukbestände nahezu erschöpft, sämtliche
Faktoreien infolge der Krise geschlossen und andere
Exportprodukte nicht vorhanden sind. Das in
diesem Territoire pro Jahr in Umlauf gesetzte
Geld läßt sich etwa wie folgt berechnen:
Für die noch vorhandenen 25 Weißen, da
18 hiervon zur Mission gehören und diese fast
ausschließlich in Waren bezahlt, etwa 12 000 Fr.,
für die geringe Menge aus dem Bezirk noch an
die Nachbarfaktoreien gelieferten Kautschuks 3000 Fr.,
für Soldaten-, Arbeiter= und Personallöhne
60000 Fr.; hierbei sind die Arbeiterlöhne in
Mian mit 1100 Fr., die Soldatenlöhne mit
3000 Fr., die Arbeiterlöhne der Station mit
600 Fr. und die Personallöhne mit 300 Fr.
monatlich angenommen. Der Betrag wird sich
infolge der Verlegung der Kompagnie nach Luebo
um etwa 2000 Fr. monatlich vermindern, so
daß noch 36000 Fr. verbleiben. Für Träger-
löhne können etwa bei 10000 im Laufe eines
Jahres im Bezirk angeworbenen Trägern 40 000 Fr.
Barlöhnung angenommen werden. Hierzu kommt
die noch den Häuptlingen für gute Steuereingänge
mit 0,25 Fr. oder bei besonders guten Leistungen
0,40 Fr. pro Kopf und Jahr gezahlte Vergütung
von insgesamt etwa 5000 Fr., so daß der ge-
samte in Umlauf gesetzte Bargeldbetrag etwa
116000 Fr. beträgt und man, wenn man nun
noch für den Kleinhandel mit den Dampfern und
nach Lusambo einen Betrag von 24000 Fr. an-
nimmt, mit einem Betrage von 140000 Fr.
rechnen kann. Von dieser Summe ist sicher ein
erheblicher Betrag in die Taschen des Dampfer-
personals, der farbigen Händler und schließlich
der Faktoreien in den Orten, nach denen die
Träger trugen oder die Marktbesucher gingen,
geflossen. Nimmt man hierfür 50000 Fr. an,
so verbleiben dem Bezirk noch 90000 Fr. Es
betrugen aber die Steuereinnahmen des Terri-
toires im Jahre 1911 26000 Fr., im Jahre
1912 58000 Fr. und im Jahre 1913 103000 Fr.,.
für 1914 wird eine Einnahme von 125000 Fr.
erwartet, d. h. die Stenerpolitik der Regierung
erschöpft nicht nur restlos den vorhandenen Geld-
umlauf, nein, sie wird auch in kürzester Zeit die
noch vorhandenen kleinen Reserven der Ein-
geborenen erschöpft haben. Nicht so kraß, aber
ähnlich liegen die Verhältnisse in den anderen
Territoires, in denen nur die durch die großen
Gesellschaften erschlossenen Gebiete besser dastehen.
Nicht nur die Kaufmannschaft hat ein Interesse
daran, daß die Kaufkrast der Eingeborenen nicht
in dieser Weise ausgesogen wird, auch im ur-
eigensten Interesse der Regierung liegt es, von
diesem Wege abzugehen, will sie nicht in abseh-
barer Zeit in ihrer jegliche ferneren Konsequenzen
außer acht lassenden, nur auf eine augenblickliche
Erhöhung der Einnahmen abzielenden Steuer-
politik ein ähnliches Desastre erleben, wie sie es
jetzt mit dem Kautschukraubbau erlebt hat. Ein
indirekter Zwang zur Arbeit und zum Gelderwerb
ist sicherlich dort zu billigen, wo es Erwerbs-
gelegenheit gibt, er ist es nicht mehr, wo diese
fehlt oder die aufzuwendende Arbeit ganz außer
Verhältnis zu dem Ertrage steht, wie das jetzt
für eine große Zahl der Kautschukgebiete der
Fall ist. Schließlich hat die steuererhebende Re-
gierung auch die moralische Verpflichtung zu be-
stimmten Gegenleistungen, mögen diese nun in
der Aufrechterhaltung des Landfriedens, in der
Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, in dem
Schutz gegen Krankheiten, in der Weiterbildung
der Eingeborenen oder in der Gewährung der
Rechtssicherheit bestehen. Alle diese Verwaltungs-
aufgaben treten aber zur Zeit hinter der einen
großen der Geldbeitreibung zurück, und was in
ihnen in unserm Bezirk geleistet wird, fällt kaum
ins Gewicht. Es bleibt daher kaum verwunder-
lich, wenn sich eine ständig steigernde Erbitterung
der Eingeborenen bemächtigt, die zur Zeit nur
durch eine größere Furcht im Zaume gehalten wird.
Die ausschließlich an der Kautschukproduktion
interessierten Handelskreise sind natürlich Anhänger
einer möglichst schroffen Steuerbeitreibung; hoffen
sie doch, daß diese die Eingeborenen zu ver-
mehrter Kautschukproduktion veranlaßt. Die
übrigen Handelskreise sind es nicht, die Missionare
sprachen von dem Wiederaufleben des alten Aus-
beutesystems und eine Anzahl der objektiv ur-
teilenden Beamten trat ihnen bei.
Schule und Mission.
Auf dem Gebiete des Eingeborenenschulwesens
ist bisher seitens der Regierung nichts geschehen.
Höchstens daß die Stationen den einen oder
andern Soldaten in einem Handwerk ausgebildet
haben. Vielleicht hat die völlige Vernachlässigung
des Schulwesens auch nach Beseitigung der Kon-
zesion der Compagnie du Kasai ihren Grund
darin, daß die Regierung in der bisherigen
Hauptstadt des alten Bezirks Kasai Lusambo eine
geradezu luxuriös ausgestattete Schule für den
enormen Betrag von 300000 Fr. errichtete und
bisher noch keine Zeit gefunden hat, dieser so
überaus wichtigen Frage für den neuen Bezirk
näher zu treten. Die C. K. (Compagnie du