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ichtamtlicher Teil u
Balfours Urteil und das Urteil eines Schweizers über deutsche Kolonien.
Es war Friedensseit.
Ein Schweizer Arzt, der sein ganzes Leben
dem Wohle der Negerrasse in Afrika geweiht
hatte, unternahm im Jahre 1910 zu Rad eine
Reise in die deutsche Kolonie Togo in Westafrika.
Er war in der benachbarten englischen Gold-
küsten-Kolonie 25 Jahre tätig gewesen. Der
Landessprache kundig, beständig mit den Einge-
borenen verkehrend, von denen täglich viele
Dußende von Kranken aus der Nähe und aus
der Ferne zu ihm strömten, hatte er einen tiefen
Blick in das Leben jener Negerstämme geworfen,
unter denen er lebte. Sein langer Aufenthalt in
der englischen Kolonie befähigte ihn mehr als
jeden anderen, Vergleiche anzustellen über die be-
stehenden Verhältnisse im englischen und im deut-
schen Gebiete.
Es war Frieden.
Weiß war noch weiß und schwarz schwarz,
und zwei mal zwei war noch vier in der ganzen
Welt und für alle Menschen.
Es gab noch keine in Geld schwimmenden
Propagandaministerien, die durch allerlei ganz
offene oder ganz geheime Kanäle und Kanälchen
segenspendend die Welt berieselten.
Damals sagte man noch die Wahrheit, und
damals verfaßte nach Beendigung seiner Reise in
der deutschen Kolonie Togo der Schweizer Arzt
ein Büchlein,") in dem er schlicht und anspruchslos
das schilderte, was er auf dieser Reise erlebt, mit
offenen Augen gesehen und beobachtet, mit eigenen
Ohren gehört, und was er empfunden hatte. Er
schilderte es niemand zuleide und niemand zu-
liebe, wie es einem ehrlichen, wahrheitsliebenden
Menschen ziemt, wie es bei jedem edlen Menschen
selbstverständlich ist.
Aus diesem Werkchen folgen hier einige Aus-
züge. Was in Klammern steht, sind erklärende
Bemerkungen dazu für solche, die mit den näheren
Verhältnissen in jenen Gegenden nicht vertrant sind.
Ich konnte einen schon lange gehegten Plan
ausführen, nämlich das (von der deutschen Re-
gierung neu angelegte) Schlafkrankendorf bei Misa-
höhe (in Togo) zu besuchen. An Stelle des
früheren schmalen, beschwerlichen Weges dahin
wird eine prächtige Kunststraße gebaut. Um den
ord-Togo und seine westliche Pchbarschaft.
)
Basel #ee Mit 68 Abbildungen und 1 Kart
Schlafkranken den Aufenthalt im Dorfe möglichst
angenehm zu machen, erlaubt die (deutsche) Re-
gierung, daß nächste Angehörige der Kranken sie
im Dorfe verpflegen dürfen, ja sie setzt den
Kranken und ihren Pflegern ein Tagegeld aus,
das zu ihrer Verköstigung ausreicht. Am Ein-
gange des Dorfes stehen die Gebäude für den
Arzt, für Apotheke und Laboratorium. Zu beiden
Seiten der breiten Hauptstraße sind Mangobäume
angepflanzt. In etwa sechs Jahren werden sie
wohltuenden Schatten und herrliche Früchte
spenden.
Das Dorf beherbergte damals 78 Schlafkranke.
Überall herrschte große Reinlichkeit und wohl-
tuende Stille. Es war nicht schwer zu erkennen,
daß Kranke und Pfleger sich unter der liebevollen
Obhut des (deutschen) Arztes wohlfühlten.
Das Schlafkrankendorf ist ein beredtes Zeugnis
des Weitblicks, der Humanität und Energie der
(deutschen) Regierung, die vor keiner Schwierig-
keit zurückschreckt, wo es gilt, eine Gefahr von
der Bevölkerung der Kolonie abzuwenden. Nicht
zum wenigsten ist das Schlafkrankendorf und die
dort getane Arbeit ein Denkmal hingebender,
ernster, wissenschaftlicher, deutscher Arzte.
Wie mühsam und gefährlich ist schon das Auf-
suchen der Schlafkranken in den infizierten Dörfern.
Nur wer die Neger kennt, weiß, was für ein
Kapital von Geduld und Klugheit dazu gehört,
alle Einvohner zur Untersuchung zu bekommen.
Dazu kommt noch die persönliche Gefahr, der
man sich aussetzt, indem man längere Zeit in den
von der schrecklichen Krankheit infizierten Dörfern
leben muß.
So arbeiten die (deutschen) Arzte dort in dem
weltfernen Dorse. Sie wenden durch ihre Arbeit
die furchtbare Gesahr der Krankheit von den Ein-
wohnern der Kolonie ab, unberührt von den
Lockungen der Welt, die ihnen auf anderen Wegen
Reichtum und Ehre anbietet. Daneben hindern
noch die knappen Mittel und die bedrückende
Lage der Laboratorien. Nicht zum letztenmal in
Togo bekamen wir aber den Eindruck, daß gerade
die Hindernisse, die durch die Unterernährung
Togos gegeben sind (die Togo-Kolonie erhielt
keinen Reichszuschuß, sondern wirtschaftete mit dem
eigenen geringen Einkommen), nicht nur durch
den Fleiß, die Genügsamkeit und Tüchtigkeit der
Regierungsbeamten überwunden werden, sondern