Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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diese wichtige Frage deshalb so leicht hinweggesetzt, 
weil der König wiederholt darauf hingewiesen hatte, 
daß er die Zukunft seiner Staatengründung durch 
die UÜberweisung eines besonderen Schatzes sicher- 
stellen werde. Stanley gegenüber hatte er in einem 
mysteriösen Ton von dem Vorhandensein dieses 
Schatzes gesprochen und ihm zu verstehen gegeben, 
daß es sich um eine erhebliche Summe handele und 
dabei hinzugefügt: „quand on a cela, on le garde 
par devers sol“. Freilich übersah man dabei, daß um 
ein so kostspieliges Unternehmen wie den Kongostaat 
aufrecht zu erhalten, das Einkommen eines amerika- 
nischen Milliardärs erforderlich gewesen wäre. In 
Wahrheit hat der König nur den größten Teil seines 
ererbten Privatvermögens und Ersparnisse aus der 
jährlichen Zivilliste von 3,3 Millionen Frank für den 
Kongo aufgewendet. 
Wenn gegen die Kongokonferenz später der Vor- 
wurf erhoben worden ist, daß sie nicht genügende Maß- 
nahmen beschlossen habe — etwa durch Einsetzung 
einer internationalen Überwachungskommission —, 
um die Entwicklung des Kongostaates zu einem abso- 
lutistischen Staat, der seinesgleichen nicht in der 
neueren Geschichte findet, zu hindern, so ist hierzu 
zu bemerken, daß nach dem mühsam genug verein- 
barten Programm der Konferenz diese sich gar nicht 
mit dem Kongostaat als solchem, nicht mit seiner 
territorialen Gestaltung noch mit seiner innerpolitischen 
Organisetion zu befassen hatte und daß hinsichtlich 
einer solchen internationalen Kontrollkommission 
schwerlich eine Einigung unter den beteiligten Mächten 
zu erzielen gewesen sein würde. War doch nicht einmal 
die in Artikel 17 der Kongoakte vorgesehene inter- 
nationale Schiffahrtskommission ins Leben getreten, 
trotzdem der Kongostaat für die Kartographie des Kongo 
und für die Vertonnung und Bakenaufstellung in 
seinem Fahrwasser lange Jahre sehr wenig getan hat. 
Daß der Herrscher des Kongostaates von der ihm 
nach Lage der Entwicklung der Dinge zustehenden 
absoluten Gewalt einen für die Allgemeinheit und 
letzten Endes auch für sein Unternehmen selbst so 
abträglichen Gebrauch machen würde, konnte 1885 
niemand voraussehen. 
Der einzige Staatsmann, der vorausblickte, daß 
die Versichenung des Königs, daß der neue Staat 
keine Einfuhrzölle brauche, da die Association „##ui 
assurcra une dotation suffisante pour lui per- 
mettre à faire face aux dépenses“ sich kaum 
werde aufrecht erhalten lassen, war der portugiesische 
Minister du Bocage. Er sagte dem deutschen Ge- 
sandten nach dessen Bericht vom 12. Mai 1884 
„Die Frage wäre nur, wie lange zu einer solchen 
Dotation die Privatmittel selbst eines Königs aus- 
reichen werden und was geschehen soll, wenn 
letztere erschöpft sind? Keinesfalls ist Portugal reich 
genug, „de se passer de pareilles fantaisies,“ 
  
(Bismarck bemerkte hierzu am Rand: „Nicht teuer“.) 
die überdies aller rationellen Kolonialwirtschaft zu 
schwerem Präjudize gereichen würden. Das Höchste, 
was wir bieten können, wäre: aus der Souveränität 
über unser Kongogebiet keinerlei fiskalische Vorteile 
und keinerlei Privilegien für das Mutterland zu ziehen. 
Letzterem aber alle Kosten aufzubürden, um am Kongo 
eine steuerlose Utopie zu schaffen, müssen wir ablehnen.“ 
Der Arger und der Neid auf die Erfolge der Association 
bei den Vereinigten Staaten und bei Frankreich 
hatten diesem Staatsmann die Augen geöffnet. 
Schon die Beschlüsse der Brüsseler Konferenz von 1890, 
die dem Kongostaat die Erhebung von Einfuhrzöllen 
bis zur Höhe von 10 v. H. des Wertes der Waren 
gestatteten und damit die wichtigsten Beschlüsse der 
Berliner Konferenz über den Haufen warfen, sollten 
ihm recht geben. 
  
*) Nach einer veffizielten Zusammenstellun hat 
der König von 1876 bis Ende 1890 19,5 Millionen 
aus seinen Privatmitteln für den Kongo ausgegeben, 
davon aber 8 Millionen aus den Ergebnissen der 
Kongolos-Anleihe und aus den Vorschüssen, die Belgien 
dem Kongostaat gewährte, sich zurückerstatten lassen. 
Der Rest von 11,5 Millionen ist ihm dann im Jahre 1905 
vom Kongostaat wieder gutgebracht worden. (Nouvement. 
géographique 1911, S. 237.) 
tt Angaben sind nicht ganz zutrefsend. Wie 
uppel, sich die Klarlegung der finanziellen 
Zeule hea E nach den Brüsseler Akten 
zur besonderen Aufgabe gestellt hatte, bei Gelegenheit 
einer Besprechung des großen. Werkes von Dr. H. Waltz: 
Das Konzessionswesen im Belgischen Kongo, Jena 1917, 
in der Kolonialen Rundschau 1917, S. 437 angibt, 
haben die Zuschüsse des Königs an das junge Staats- 
wesen von 18386 bis 1890 8 861 915,83 Fr. betragen. 
Von den weiteren Zuschüssen von je 1 Million Fr. in 
den folgenden zehn Jahren, zu denen er sich in dem 
Abkommen mit Belgien vom Juli 1890 verpflichtet 
hatte, hat er nach den im Prozeß der Prinzessinnen 
Töchter gegen den belgischen Staat im Jahr 1910 von 
dem ehemaligen Staatssekrctär van Eetvelde, den 
Generalsekretären Liebrechts und Pochez abgelegten 
Zeugenaussaßen höchstens bis 15, 5 eine Million, 
im ganzen also 4 Millionen Fr. Dic könig- 
lichen Zuschüsse an den Prthosttn ürugen also alles 
in allem 12 861 915 # on diesen sind ihm aus 
den Erträgnissen 16. Prämienlosanleihe von 1887 
5450 000 Fr. und aus der ersten Rate des belgischen 
Darlehns an den Kongostaat vom Jahre 1890 im Ge- 
samtbetrag von 25 Millionen Fr. 2 600 000 Fr., also 
zusammen 8.050 000 Fr., ausbezahlt worden. Für den 
noch verbliebenen Rest seiner ungedeckten Zuschüsse 
von 4 811 915,83 Fr. hat er sich aus dem fingierten 
Darlehen des Antwerpener Bankiers Browne de Tieège, 
das angeblich mit Zinsen 5287 415,65 Fr. betragen 
sollte, zu dessen Deckung sowie zur Tilgung weitcrer 
Schulden des Kongostaates die belgischen Kammern 
im Jahre 1895 zu einem ferneren Darlehen von 
6,8 Millionen Fr. bewogen worden waren, bezahlt 
emacht. Beide Beträge passen auch, wenn man die 
Fineen für die zunächst ungedeckt ##lllebenen Zuschüsse 
in Betracht zieht, gut zusammen. Hinsichtlich der 
königlichen Zuschüsse für die Jahre 1876—85 in der 
Gesamthöhe von 10,6 Millionen Fr., die als die 
Gründungslosten des Kongostaates betrachtet wurden, 
sei auf das in Artikel XII S. 62 Gesagte verwiesen.
	        
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