150 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. 8 18
eine Handlung zu ihren Motiven. Die Art und Weise, wie der angestrebte
Erfolg zu verwirklichen ist, kann bestimmt vorgeschrieben sein, so dass die
Freiheit der Behörde in der Auswahl der vorzunehmenden Handlungen sehr
beschränkt oder ganz ausgeschlossen ist; dies ist aber nur eine zufällige,
keine begriffliche Schranke. Auch dies gilt ganz gleichmässig für die Ver-
waltungsgeschäfte der Gerichte und der Verwaltungsbehörden. Die Gebun-
denheit liegt im Wesen der Entscheidung, die rechtliche Freiheit der Ent-
schliessung im Wesen des Verwaltungsaktes.
Schwieriger ist die Abgrenzung der Verwaltung von der Gesetzgebung
im objektiven Sinne. Diese Schwierigkeit beruht darauf, dass unter einer
Handlung nicht bloss diejenigen Akte zu verstehen sind, welche unmittelbar
einen gewissen äusseren Erfolg faktisch herbeiführen, sondern auch diejeni-
gen, welche diese Akte hervorrufen. Die staatliche Handlung kann sich voll-
ziehen durch eine lange Reihe von Befehlen, die sich nur innerhalb des
Verwaltungsapparates selbst fortpflanzen, verzweigen, in Detailvorschriften
umwandeln, ergänzende Anordnungen untergeordneter Stellen veranlassen
usw. und nur an den letzten Endpunkten sich in Handlungen umsetzen,
die nach aussen eine Wirksamkeit entfalten. So erfordert z. B. die
Herstellung einer Eisenbahn oder die Errichtung eines Truppenkörpers eine
unzählige Menge von Einzelhandlungen, die aber in ihrer Gesamtheit, zur
Einheit integriert, eine einheitliche Handlung darstellen. Daraus ergibt sich,
dass die Form der Verordnung, sowie die Form des Gesetzes innerhalb der
Verwaltung im Sinne von stastlichem Handeln ihren Platz haben. Ein Ge-
setz, welches den Bau eines Kanals oder einer Eisenbahn anordnet, ist der
Anfang eines Komplexes von Handlungen und deshalb im materiellen Sinne
enVerwaltungsakt. Gibt es hiernach neben den Rechtsgesetzen und
den Rechtsverordnungen Verwaltungsgesetze und Verwaltungsverordnungen,
so entsteht die Frage, woran der Unterschied zwischen beiden erkennbar
wird. Die Lösung dieser Frage erfordert eine Erörterung des Wesens des
Rechtssatzes.
Das Recht besteht in der Abgrenzung der Befugnisse und Pflichten der
einzelnen Subjekte gegen einander; es setzt seinem Wesen nach eine Mehr-
heit von Willensträgern voraus, die mit einander kollidieren können; die
Rechtsordnung ist eine Macht über den einzelnen. Verhaltungsmassregeln,
die ein einzelner sich selbst gibt, können niemals Rechts vorschriften sein;
niemand kann gegen sich selbst einen Rechtsanspruch oder eine Rechtspflicht
haben oder gegen sich selbst eine Rechtsverletzung verüben. Nur insoweit die
Willenssphäre eines Subjekts durch Gebote, Verbote, Gewährungen gegen
fremde Willenssphären abgegrenzt ist, und soweit ein Anspruch, eine Ver-
pflichtung, ein Schutz gegen Eingriffe oder gegen Widerstand anderen gegen-
über begründet ist, waltet die Rechtsordnung. Dies gilt auch vom
Sta&t, insofern er nicht als der Schöpfer der Rechtsordnung selbst, sondern
«Is eine innerhalb derselben handelnde und waltende Persönlichkeit erscheint.
Der Staat ist trotz seiner Herrschermacht, die ihn befähigt, das Recht selbst
zu gestalten, in seinor verwaltenden Tätigkeit unter die von ihm gesetzte