Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

234 & 82. Die Arbeiterversorgung. Invalidenversicherung. 
verändert werden können, daß der Rentenberechtigte seine Gegenlei- 
stung nicht völlig aus eigenen Mitteln macht, sondern der Dienstherr 
einen Teil der Beiträge, der Reichsfiskus einen Teil der Rente zu- 
schießen muß, daß endlich die Leibrentenbank (sogenannte Versiche- 
rungsanstalt) die Geschäfte nicht des Erwerbes wegen, sondern zur 
Förderung des öffentlichen Wohls betreibt — dies alles ist für den 
juristischen Charakter des Rechtsverhältnisses nicht wesentlich, und 
würde mit der privatrechtlichen Natur sich ebenso gut vertragen, wie 
dies bei den Transportverträgen der sStaatseisenbahnen und Postan- 
stalten, den öffentlichen Feuer- oder Viehversicherungsanstalten mit 
Beitrittszwang usw. der Fall ist. Der Versicherte und zu seinen Gun- 
sten der Dienstherr zahlen an die Versicherungsanstalt fortlaufende 
Beiträge, welche so hoch zu bemessen sind, daß die von der Anstalt 
zu machenden Leistungen, einschließlich der Verwaltungskosten, da- 
durch vollkommen gedeckt werden. Die regelmäßige Entrichtung 
dieser Beiträge während einer gesetzlich bestimmten Minimalzeit 
(Wartezeit) ist die notwendige Voraussetzung für den Erwerb des 
Leibrentenanspruchs. Es liegen daher in der Tat pekuniäre Lei- 
stungen und Gegenleistungen vor, welche miteinander in synallag- 
matischer Verbindung und Wechselbeziehung stehen, also ein zwei- 
seitiges Rechtsverhältnis darstellen. Allein dessen ungeachtet würde 
man die wesentliche Eigentümlichkeit des Fürsorgeanspruchs ver- 
kennen, wenn man ihn den Leibrentenverträgen des Privatrechtes 
einreihen wollte. Denn der Anspruch auf die Rente ist an eine Vor- 
aussetzung gebunden, welche sich nicht als eine Leistung an die Ver- 
sicherungsanstalt, ja überhaupt. nicht als eine privatrechtliche denken 
läßt. Der Rentenberechtigte muß bis zum Eintritt der Invalidität oder 
des Alters, und zwar regelmäßig ohne längere Unterbrechungen in 
einem die »Versicherungspflicht« oder das Recht zur sogenannten 
Selbstversicherung begründeten »Verhältnis« gestanden haben, d.h. 
andernationalen wirtschaftlichenProduktion teil- 
genommen haben!) Man kann das Recht auf die Rente nicht 
erwerben durch eine Kapitaleinzahlung (Mise) und ebensowenig durch 
willkürliche Vorausbezahlung oder Nachzahlung für einen beliebig 
langen Zeitraum; man kann überhaupt nicht den Rentenanspruch 
durch Geldzahlungen allein erwerben). Es stehen sich also in der 
1) Eine Beschäftigung im Auslande, welche nicht Zubehör oder „Ausstrahlung“ 
eines inländischen Betriebs ist, begründet weder die Versicherungspflicht, noch einen 
Fürsorgeanspruch. Amtl. Nachr. IAV. 1892, S. 48. 
2) Wer nicht versicherungspflichtig ist, d.h. gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt 
ist, oder zu den zur Selbstversicherung berechtigten selbständigen Unternehmern gehört, 
kann das „Versicherungsverhältnis* überhauptnichtbegründen. Wernach 
Begründung desselben aufhört versicherungspflichtig zu sein, d. h. gegen Lohn zu ar- 
beiten, kann sich die Anwartschaft zwar durch freiwillige Zahlung der Beiträge 
erhalten, aber während eines Kalenderjahres können insgesamt mehr als 52 Bei- 
tragswochen niemals in Anrechnung gebracht werden. Wenn während zwei auf-
	        
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