392 8 118. I. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zoll- und Steuerwesens.
daher an einem formellen Kriterium dafür, ob sie als gesetzliche An-
ordnungen oder als Verwaltungsvorschriften anzusehen sind, und es
kann daher diese Frage nur nach dem Inhalt der Festsetzung be-
urteilt werden !). Uebrigens sind diese Bestimmungen nicht von er-
heblicher Bedeutung. Hervorzuheben ist aber, daß gerade diese be-
sonderen Vorrechte einzelner Staaten im Verhältnis zur Gesamtheit
unter dem Schutze des Art. 78, Abs. 2 der Reichsverfassung stehen ?).
III. Durch die Kontinuität zwischen dem Deutschen Zollverein und
dem Zollwesen des Reiches sind die prinzipiellen Grundlagen des letz-
teren bestimmt worden; ja es hat dieser historische Zusammenhang
über dieses begrenzte Gebiet hinaus auf die gesamte Organisation des
Reiches eingewirkt. Namentlich besteht eine unverkennbare und staats-
rechtlich wie politisch hochbedeutsame Kongruenz zwischen der Ord-
nung des Militärwesens, Gerichtswesens und Zollwe-
sens; in allen drei Zweigen der staatlichen Tätigkeit lassen sich die-
selben verfassungsmäßigen Grundlinien wiederfinden). Für das Zoll-
wesen sind es folgende Grundprinzipien.
1. Das Reichsgebiet ist ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet,
innerhalb dessen freier wirtschaftlicher Verkehr stattfindet (Reichsver-
fassung Art. 33). Es entspricht dies der Einheit des Reichsheeres und
der Erstreckung der Gerichtsbarkeit über das ganze Reichsgebiet.
2. Die Zollgesetzgebung ist eine einheitliche und steht ausschließ-
lich dem Reiche zu (Reichsverfassung Art. 35), und die Verwaltungs-
vorschriften und Einrichtungen, welche zur Ausführung der Zollge-
setzgebung dienen, sind gleichartige und übereinstimmende für alle
Staaten und deshalb vom Bundesrate zu beschließen (Reichsverfassung
Art. 37 und Art. 7). Es entspricht dies der Einheitlichkeit des Mili-
tärrechts und des Gerichtsverfassungs- und Prozeßrechts.
3. Die Erhebung und Verwaltung der Zölle nach Maßgabe der
Reichsgesetze und Bundesratsbeschlüsse steht den Einzelstaaten zu
(Reichsverfassung Art. 36). Sie haben die Selbstverwaltung auf diesem
Gebiete, wie sie die eigene Gerichtsbarkeit und Gerichtsverwaltung und
(verfassungsmäßig) die Kontingentsherrlichkeit und eigene Heeresver-
waltung haben. Dem Reich steht nur die Kontrolle darüber zu, daß
die Einzelstaaten die Selbstverwaltung den Reichsgesetzen gemäß führen.
Diese drei Grundprinzipien und die praktischen Gestaltungen der-
selben werden nun im einzelnen darzustellen sein.
1) Delbrück S. 6.
2) Dahin gehören z. B. die besonderen Begünstigungen der Meßplätze Braun-
schweig, Frankfurt a. M., Leipzig und Frankfurt 0. Vgl. Delbrück S.61fg.; die
besonderen Vorrechte einzelner Staaten in betreff der Chausseegeldtarife, Delbrück
S. 85 fg.
3) Auch die Ordnung des Gewerbewesens und der Invaliden- und Hinterbliebenen-
versicherung zeigt dieselben Grundlinien.