Zegierungs- Blatt
für das
Großherzogthum
Sachsen-Weimar-Eisenach.
Nummer 16. Weimar. 5. Juli 1873.
Ministerial-Bekanntmachungen.
!73 I. Je freier und unabhängiger durch das Gesetz über die elterliche Ge-
walt und das Vormundschaftswesen vom 27. März 1872 die Fürsorge
für Minderjährige, Geisteskranke und Gebrechliche den Eltern und Vormündern
überlassen wird, um so wichtiger und dringlicher ist es, thunlichst Vorkehrung zu
treffen, daß, sobald das Wohl der Kinder oder Pflegebefohlenen durch pflichtwid-
riges Handeln oder durch Verwahrlosung von Seiten der Eltern oder Vormünder
in Gefahr geräth, die Vormundschaftsbehörden unverweilt hiervon in Kenntniß
gesetzt und zum Einschreiten dagegen veranlaßt werden. Zu diesem Zwecke ist
durch das Gesetz (§. 103) geordnet, daß Jedermann, welcher Kenntniß hat, daß
das Wohl der Kinder durch offenbaren Mißbrauch der elterlichen Gewalt oder durch
gröbliche Vernachlässigoung der damit verbundenen Pflichten oder durch Abwesenheit
der Eltern oder durch ähnliche Verhältnisse in erheblichem Maße gefährdet oder
geschädigt wird, oder daß von den Vormündern für das Wohl der Pflegebefohlenen
nicht gehörig gesorgt wird, hiervon bei der Vormundschaftsbehörde Anzeige zu er-
statten, befugt sei. Wie nun aber insbesondere die Kirche der Unmündigen und
Schwachen sich annehmen soll und die Fürsorge für Erziehung und Bildung der
Kinder zu den wesentlichen Aufgaben der Schule gehört, so ist für die Geist-
lichen und Lehrer mit dem Rechte zugleich die Pflicht begründet, auf der-
artige Mißstände ihr Augenmerk zu richten und zu ihrer Abstellung thätig zu sein.
Die hieraus sich ergebenden, zum Theil schon in der Ausführungsverordnung
vom 7. Juni 1872 ausgesprochenen Obliegenheiten der Geistlichen und Lehrer
sollen hier für dieselben besonders zusammengestellt und hervorgehoben werden.
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