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Pfarrämtern angeordneten Einreichung jährlicher Verzeichnisse der im Laufe des
Jahres getauften außerehelichen Kinder an die Superintendenten behält es sein
Bewenren auch für die Zukunft. Dieselben sollen den Superintendenten bei den
von ihnen vorzunehmenden Kirchenvisitationen als spezieller Anhalt und Unterlage
für die von ihnen über die Unterhaltung und Erziehung dieser unglücklichen Kin-
der an Ort und Stelle einzuziehenden Erkundigungen dienen, um die Wirksamkeit
der Ortsgeistlichen und Schullehrer in dieser Beziehung um so sicherer zu überwachen.
Denn die Geistlichen und Lehrer des Orts haben zunächst die Pflicht, sorgfältig
darauf zu achten, daß die außerehelichen Kinder nicht verwildern, sondern zur Kirche
und Schule gehörig angehalten und überhaupt ordentlich erzogen werden.
IV.
Wenn der Vater oder die Mutter von Kindern, die noch in der elterlichen
Gewalt derselben stehen, sich anderweit, oder die außereheliche Mutter mit einem
Andern als dem außerehelichen Vater des Kindes sich verheirathen will, so haben
dieselben das Vormundschaftsgericht Behufs der Bestellung von Vormündern für
die Kinder und wegen der besondern Sicherheitsleistung für das Vermögen der
Kinder anzugehen. Solchenfalls dürfen Aufgebot und Trauung von dem zustän-
digen Geistlichen nicht eher vorgenommen, auch kein Ehezeugniß zu diesem Zweck
von dem zuständigen Geistlichen früher ausgestellt werden, als ein Zeugniß des
Vormundschaftsgerichts darüber beigebracht ist, daß die für derartige Fälle von dem
Gesetz vorgeschriebenen Mußnahmen getrofsen sind und der Eheschließung dieserhalb
ein Hinderniß nicht entgegensteht.
Demnach muß, was insbesondere die Verheirathung der außerehelichen Mutter
betrifft, vor dem Aufgebot entweder das von dem Bräutigam bei seinem Pfarrer zu
Protokoll zu erklärende Anerkenntniß der Vaterschaft (vergl. §. 4 des Nachtrags vom
27. Mai 1867 zu den Verordnungen über die Führung der Kirchenbücher) nachge-
wiesen, oder das erwähnte Zeugniß des Vormundschaftsgerichts beigebracht werden.
Weimar am 14. Juni 1873.
Großherzoglich Sächsisches Staats-Ministerium,
Departement des Großherzoglichen Departement der Justiz.
Hauses und des Kultus.
Stichling.
Ministerial-Bekanntmachung,
die Mitwirkung der Geistlichen und Schul-
lehrer bei der Fürsorge für Minderjährige,
Geisteskranke und Gebrechliche betreffend.
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