Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1898. (32)

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In der höheren Instanz bedarf es des Nachweises des Unvermögens nicht, 
wenn das Armenrecht in der vorherigen Instanz bewilligt war. Hat der Gegner 
das Rechtsmittel eingelegt, so ist in der höheren Instanz nicht zu prüfen, ob die 
Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung der Partei muthwillig oder aussichtslos 
erscheint. 
§. 120. 
Die Bewilligung des Armenrechts für den Kläger, den Berufungskläger und 
den Revisionskläger hat zugleich für den Gegner die einstweilige Befreiung von den 
im §. 115 Nr. 1 bezeichneten Kosten zur Folge. 
§. 121. 
Das Armenrecht kann zu jeder Zeit entzogen werden, wenn sich ergiebt, daß 
eine Voraussetzung der Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vor— 
handen ist. 
§. 122. 
Das Armenrecht erlischt mit dem Tode der Person, welcher es bewilligt ist. 
§. 123. 
Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung die arme Partei einstweilen be— 
freit ist, können von dem in die Prozeßkosten verurtheilten Gegner nach Maßgabe 
der für die Beitreibung rückständiger Gerichtskosten geltenden Vorschriften eingezogen 
werden. 
Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung der Gegner der armen Partei 
einstweilen befreit ist, sind von demselben einzuziehen, soweit er in die Prozeßkosten 
verurtheilt oder der Rechtsstreit ohne Urtheil über die Kosten beendigt ist. 
§. 124. 
Die für die arme Partei bestellten Gerichtsvollzieher und Rechtsanwälte sind 
berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozeßkosten verurtheilten 
Gegner beizutreiben. 
Eine Einrede aus der Person der armen Partei ist nur insoweit zulässig, 
als die Aufrechnung von Kosten verlangt wird, welche nach der in demselben Rechts- 
streite über die Kosten erlassenen Entscheidung von der armen Partei zu erstatten sind. 
§. 125. 
Die zum Armenrechte zugelassene Partei ist zur Nachzahlung der Beträge, 
von deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald sie ohne Be- 
einträchtigung des für sie und ihre Familie nothwendigen Unterhalts dazu im 
Stande ist.  
Dasselbe gilt in Betreff derjenigen Beträge, von deren Berichtigung der 
Gegner einstweilen befreit war, soweit die arme Partei in die Prozeßkosten ver- 
urtheilt ist. 
Reichs= Gesetzbl. 1898. 71
	        
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