— 433 —
In der höheren Instanz bedarf es des Nachweises des Unvermögens nicht,
wenn das Armenrecht in der vorherigen Instanz bewilligt war. Hat der Gegner
das Rechtsmittel eingelegt, so ist in der höheren Instanz nicht zu prüfen, ob die
Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung der Partei muthwillig oder aussichtslos
erscheint.
§. 120.
Die Bewilligung des Armenrechts für den Kläger, den Berufungskläger und
den Revisionskläger hat zugleich für den Gegner die einstweilige Befreiung von den
im §. 115 Nr. 1 bezeichneten Kosten zur Folge.
§. 121.
Das Armenrecht kann zu jeder Zeit entzogen werden, wenn sich ergiebt, daß
eine Voraussetzung der Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vor—
handen ist.
§. 122.
Das Armenrecht erlischt mit dem Tode der Person, welcher es bewilligt ist.
§. 123.
Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung die arme Partei einstweilen be—
freit ist, können von dem in die Prozeßkosten verurtheilten Gegner nach Maßgabe
der für die Beitreibung rückständiger Gerichtskosten geltenden Vorschriften eingezogen
werden.
Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung der Gegner der armen Partei
einstweilen befreit ist, sind von demselben einzuziehen, soweit er in die Prozeßkosten
verurtheilt oder der Rechtsstreit ohne Urtheil über die Kosten beendigt ist.
§. 124.
Die für die arme Partei bestellten Gerichtsvollzieher und Rechtsanwälte sind
berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozeßkosten verurtheilten
Gegner beizutreiben.
Eine Einrede aus der Person der armen Partei ist nur insoweit zulässig,
als die Aufrechnung von Kosten verlangt wird, welche nach der in demselben Rechts-
streite über die Kosten erlassenen Entscheidung von der armen Partei zu erstatten sind.
§. 125.
Die zum Armenrechte zugelassene Partei ist zur Nachzahlung der Beträge,
von deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald sie ohne Be-
einträchtigung des für sie und ihre Familie nothwendigen Unterhalts dazu im
Stande ist.
Dasselbe gilt in Betreff derjenigen Beträge, von deren Berichtigung der
Gegner einstweilen befreit war, soweit die arme Partei in die Prozeßkosten ver-
urtheilt ist.
Reichs= Gesetzbl. 1898. 71