Abschnitt V. Armenwesen. Preußisches Ausführungsgesetz. 385
3K0 lange dies der Fall ist, nicht gegen ihren Willen verpflichtet werden, an
der betreffenden Einrichtung des Land-Armenverbandes theilzunehmen oder zu
den Kosten derselben beizutragen.
Land- und Stadtkreise können mit Genehmigung des Oberpräsidenten auch
in Zukunft die Fürsorge für hülfsbedürftige Geisteskranke, Idioten, Epileptischc,
Tanbstumme und Blinde in eigenen Anstalten übernebmen.
Die in Folge der Ausführung der vorstehenden Vorschriften erforderliche
Regelung der Verhältnisse ist, unbeschadet aller Privatrechte Dritter, durch
den Oberpräsidenten zu bewirken.
Streitig keiten, welche hierbei entstehen, unterliegen der Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts.
In den Fällen der Absätze 1 und 2 tragen die Landkreise die allgemeinen
Verwaltungskosten allein und dürfen die Orts-Armenverbände höchstens bis zu
einem Drittel der sonstigen Kosten heranziehen (F. 31 ).
S. 31e. Die Land-Armenverbände, Kreise und die aus mehreren Gemeinden
und Gutsbezirken zusammengesetzten Kommunalverbände sind auch ferner be-
fogt, die Fürsorge für Sieche unmittelbar zu übernehmen.
Die gleiche Befugniss verbleibt den Kreisen und den im Absatz 1 be-
zeichneten Kommunalverbänden hinsichtlich der hülfsbedürftigen Kranken.
§. 32. Die in einigen Landestheilen bereits bestehenden Verbände von
Gemeinden und Gutsbezirken zur Bestreitung der Kosten einzelner besonderer
Zweige der öffentlichen Armenpflege (außerordentliche Armenlast) bleiben als
solche aufrecht !) erhalten; bezüglich der Verwaltung der Angelegenheiten der-
selben kommen die §8§. 9, 10, 13 bis 15 gleichmäßig zur Anwendung.
Ohne Zustimmung der Betheiligten findet die Bildung solcher Verbände
nicht ferner statt.
§. 33. Die in einigen Landestheilen bestehenden Verpflichtungen des Staats
zur Bestreitung einzelner besonderer Zweige der öffentlichen Armenpflege werden
zusatwen aufgehoben, als diese Verpflichtungen nicht auf besonderen Rechtstiteln
beruhen.
Desgleichen werden aufgehoben die Bestimmungen des Ausschreibens des
vormaligen Kurhessischen Staatsministeriums vom 15. Oktober 1822 (Kurhessische
G. S. S. 45), sowie die Bestimmungen in §. 1 Nr. 5 des Gesetzes, betreffend
die Erweiterung der Verwendungszwecke der Einnahmen aus dem vormals Kur-
hessischen Staatsschatze vom 25. März 1869 (G. S. S. 525).
§. 34. Die Land-Armenverbände sind befugt, die ihrer Fürsorge gesetzlich
anheimfallenden Personen demjenigen Orts-Armenverbande gegen Entschädigung
zu überweisen:), welcher nach §. 28 des Bundesgesetzes vom 6. Juni 1870 zur
vorläufigen Unterstützung derselben verpflichtet ist.
1) Der §. 32 betrifft nur das Verhältniß der Behufs gemeinschaftlicher Tragung
der s. g. außerordentlichen Armenlast vereinigten selbständigen Orts-Armenverbände
zu einander, nicht aber zu den vorläufig unterstützenden Orts-Armenverbänden des
Aufenthaltsortes, Erk. 7. April 1872 (W. II. 55). Die §§. 32 und 33 sind für
die östlichen Provinzen ohne Interesse.
Verbände, welche nur den Charakter eines zwischen verschiedenen Gemeinden be-
stehenden Verbandes zur Bestreitung einzelner besonderer Zweige der öffentlichen
Armenpflege haben, begründen Rechte und Verbindlichkeiten lediglich zwischen den
vereinigten selbständigen Orts-Armenverbänden. Die auf die Bestimmungen des
Reichsgesetzes gestützten Ansprüche können nur von den, den Voraussetzungen dieses
Gesetzes entsprechenden Armenverbänden (Orts-, Guts= oder Gesammt-Armenverbänden,
Land-Armenverbänden) in dem dort angeordneten Verfahren geltend gemacht werden.
Nur der Orts--Armenverband, für welchen ein Nebenanlageverband die Kosten der
Armenpflege getragen hat, ist zur Klage legitimirt, Erk. 25. Mai 1878 (W. X. 42).
:) Wenn ein Land-Armenverband von der Befugniß des §. 34 Gebrauch macht,
so hat er dem Orts-Armerwerbande, dem er einen Armen überweist, nur die Pflege-
sätze laut Tarif 2. Juli 1876 zu zahlen, Erk. 10. April 1880 (W. XII. 75)0.
Der Orts-Armenverband ist im Falle des §. 34 ein Organ des Land-Armen-
verbandes, aber nicht eine bloße Mittelsperson, welche die von dem Land-Armenverband
festgesetzte Unterstützung entgegenzunehmen und an die Hülfsbedürftigen abzuführen hat.
Illing-Kautz, Handbuch I, 7. Aufl. 25