Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

286 „Großbrittannien. 
25. Febr. Unterhaus: Der Staatssecretär für Irland, Marquis von Har- 
tington, erklärt auf eine dießfällige Anfrage, daß die Regierung die 
weitere Verfolgung der Untersuchung wegen Beeinflussung der Parla- 
mentswahlen in Galway durch den kath. Clerus ganz aufgegeben habe, 
da nach der Ansicht der consultirten Juristen ein Verdict der irischen 
Geschworenen für die Schuld der Angeklagten nicht zu erwarten sei. 
1. März. Das Unterhaus wird mit? Petitionen und Resolutionen wider 
Gladstone's irische Universitätsbill, die von den entgegengesetztesten 
Standpunkten gleichmäßig verurtheilt wird, förmlich bestürmt. 
Was der Cardinal Cullen und seine Bischöfe eigentlich wollen, erfährt 
man zum erstenmal authentisch aus ihrem Protest. An wissenschaftlicher 
Universitätsbildung, selbst ohne Geschichte, Philosophie und Beschwerung ultra- 
montaner Gewissen durch unbeschränkte Lehrfreiheit, ist ihnen nichts gelegen. 
Von irgendwelcher wissenschaftlichen Concurrenz ihrer Beichtkinder mit der 
protestantischen Jugend wollen sie überhaupt nichts wissen. Vom Staat 
und von der Gesetzgebung verlangen sie keine Gelegenheit zur academischen 
Bildung, die auch im besten oder im schlimmsten Sinne des Gladstone'schen 
Plans Ketzer und Gläubige in zu nahe und gefährliche Verbindung bringen 
müßte. Was sie beanspruchen, ist vielmehr das Geld der protestantischen 
Lehranstalten. Sie wollen ihre eigenen kirchlichen Drillanstalten, ihre sog. 
„katholische Universität“ mit den Revenuen des Trinity-College ausgestattet 
oder durch Staatsmittel sichergestellt haben. Was die „Beförderung der 
Wissenschaft“ betrifft, welche in der Thronrede versprochen wurde, so wollen 
sie diese selbst über sich nehmen und vor jeder ketzerischen Berührung sorgsam 
bewahren. Mit solchen Ansprüchen gibt es kein Compromiß. Der Ultra- 
montanismus fängt gerade da an, wo die Wissenschaft aufhört. Nicht gün- 
stiger wurde die Bill diesseits des St. Georges Canals aufgenommen. Nicht 
nur protestiren die Conservativen und die unabhängigen Liberalen gegen eine 
solche entwürdigende Travestie der universitas litterarum, sondern auch im 
Lager des officiellen Liberalismus herrscht eine kleinlaute, auf das Schlimmste 
gefaßte Stimmung. Allgemein wird daher angenommen, daß Hr. Gladstone, 
um Unheil und eine große Niederlage zu verhüten, seine todtgeborne Maß- 
regel zurückziehen oder radical umgestalten werde. In ihrer gegenwärtigen 
Gestalt ist sie geradezu hoffnungslos. 
3. „ Unterhaus: Beginn der zweiten Lesung von Gladstone's irischer 
Universitätsbill. Der Premier stellt gegenüber der mannigfaltigen 
Opposition wider seine Vorlage zwar Modificationen in Aussicht, aber 
ohne das Princip derselben antasten zu lassen. 
9. „ Prinz Alfred, Herzog von Edinburgh, verlobt sich mit der russi- 
schen Großfürstin Maria, der einzigen Tochter des Kaisers Alexander. 
12. „ Unterhaus: Gladstone unterliegt mit seiner irischen Universitätsbill 
bei der zweiten Lesung derselben schließlich mit 284 gegen 287 Stim- 
men. Die Regierung erklärt, sich über ihre nunmehrige Lage bedenken 
zu wollen. 
Oberhaus: genehmigt die Bill für Bildung eines obersten Gerichts- 
hofes. 
13. „ Unterhaus: Die Regierung theilt demselben mit, daß sie der Königin 
  
 
	        
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