fullscreen: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

92U Zweiter Teil, Drittes Buch. $ 209. 
eines Verwaltungsaktes. Es gilt also auch für den Reichshaushalts- 
etat der Grundsatz, daß seine Festsetzung sich innerhalb der 
gesetzlichen Schranken bewegen muß, daß die rechtlich not- 
wendigen Einnahmen und Ausgaben des Reiches nicht Gegenstand 
freier parlamentarischer Bewilligung sind. Seine rechtliche Be- 
deutung und verbindliche Kraft ist dieselbe wie die der Etats in 
den Einzelstaaten®, 
Rechtlich notwendige (feststehende) Einnahmen 
sind die Erträgnisse des Reichsvermögens sowie die vom Reiche 
zu erhebenden, auf Dauergesetzen beruhenden Gebühren und 
Steuern. Zu den beweglichen (also bewilligungsbedürftigen) 
gehören: a) die Matrikularbeiträge. Ihre Höhe ergibt sich 
materiell aus dem Unterschiede, welcher zwischen dem veran- 
schlagten Betrage der Ausgaben und dem veranschlagten Betrage 
der übrigen Einnahmen besteht. Formell unterliegen sie jedoch 
der Bewilligung durch Bundesrat und Reichstag. Der Reichs- 
kanzler hat sie in der Höhe des budgetmäßigen Betrages auszu- 
schreiben®. Er darf bei der Ausschreibung über diese Höhe nicht 
hinausgehen, selbst dann nicht, wenn Ausfälle in den anderweiten 
Einnahmen des Reiches die Erhöhung der Matrikularbeiträge als 
notwendig erscheinen lassen”. b) Einnahmen aus Veräuße- 
rungen von Gegenständen des Reichsvermögenss. 
Rechtlich notwendige (feststehende) Ausgaben 
5 Vgl. die 8$ 2048, 205 u. 206 8. 883, 889 ff,, 897, 905 entwickelten 
Grundsätze. 
6 RVerf Art. 70 in der Fassung des RG vom 14. Mai 1904, s. oben 
$ 208a S. Y14ff, 
? Labaud 4 520 ff, 556, 557, DJZ 19 (1914) 2, 3; v. Roenne, Staatsrecht 
des Deutschen Reiches a. a, O. 138 ff.; Westerkamp a. a. 0.69; H. Schulze, 
Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes 2 181; Anschütz, Enzykl. 184, 190. — 
Die über diese Frage im Bundesrat des Norddeutschen Bundes epflogenen 
Verhandlungen sind abgedruckt in Kollers Archiv des Norddeutschen Bundes 
1 793 ff. und in den Annalen des Norddeutschen Bundes 1869, 274 ff. 
a Die Frage, ob die Veräußerung von Reichsvermögen durch die Reichs- 
leitung zu ihrer staatsrechtlichen und privatrechtlichen Gültigkeit der Zustim- 
mung der gesetzgebenden Faktoren, des Bundesrates uud des Reichstags, 
bedürfe, ist eingehend erörtert worden aus Anlaß eines Einzelfalles: des Ver- 
trages vom 31. August 1910, durch den das preußische Kriegsministerium in 
Vertretung des Reichsmilitärfiskus einen Teil des Tempelhofer Exerzierfeldes 
für 72 Mill. Mk. an die Gemeinde Tempelhof bei Berlin verkauft hat. 
Vereinzelt wurde damals die Ansicht aufgestellt, daß derartige Yeräußerungen 
weder in ihrer staatsrechtlichen Zulässigkeit noch in ihrer privatrechtlichen 
Gültigkeit durch die parlamentarische Bewilligun bedingt seien (80: ein 
als „Rechtsgutachten“ bezeichneter Artikel der Nordd, ligem. Zeitung“, 
1910 Nr. 258, ferner Romen im „Tag“, 1910 Nr. 556; derselben Ansicht ist 
Schwarz, Formelle Finanzverwaltung 42, 43, aber nur für die Veräußerung 
von Verwaltungs-, nicht von Finanzvermögen). Dagegen vertrat Laband — 
in teilweiser Abweichung von seinen Ausführungen Staater., 4 Aufl., 4 492, 
493 (5. Aufl. 4 534, 535) in dem genannten Streitfalle die Ansicht, daß 
die Veräußerung von Reichsgut aller Art, auch von Verwaltungsvermögen, 
nur mit vorheriger, oder doch nachträglicher Zustimmung des Bundesrats 
und des Reichstags zulässig, und daß ein ohne diese Zustimmung ab-
	        
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