Widerstand der alten Stände. 157
trennende Schranke zu beseitigen. Mit den Provinzialzöllen fiel zugleich
die Zollfreiheit der eximirten Klassen, und dieser erste leise Stoß gegen die
Steuerprivilegien des Adels regte sogleich die Frage an, ob die weit
schwerer drückende Ungleichheit der directen Besteuerung noch fortdauern
dürfe. Im Jahre 1806 zahlten in der Kurmark die Städte fast 2¼½
Millionen, die Bauern 644,000, die sämmtlichen Rittergutsbesitzer nur
21,000 Thaler an Staatssteuern. Aber die Zeit für eine radicale Um-
gestaltung der Staatswirthschaft war noch nicht gekommen. Die national-
ökonomischen Ansichten gährten wirr durcheinander; die meisten guten
Köpfe unter den jüngeren Beamten schwärmten mit Vincke für „den
göttlichen Smith“, die Grundbesitzer neigten zur physiokratischen Lehre.
Das stärkste Hinderniß jeder Reform lag jedoch in der Opposition
der Landtage. Der zähe passive Widerstand der alten Stände hatte schon
den agrarischen Gesetzen des achtzehnten Jahrhunderts immer wieder die
Spitze abgebrochen; jetzt, unter einer nur allzu milden Regierung, zeigte
er eine ganz unerwartete Stärke. Es war einer der ersten Schritte des
Königs, daß er einem Theile des Bauernstandes, den Köllmern, das
Recht der Vertretung unter den ostpreußischen Ständen gewährte. Also
verjüngt wurde der Königsberger Landtag die einzige leidlich gesunde
unter den verfallenen ständischen Körperschaften der Monarchie; er nannte
sich mit einigem Rechte die „Vertretung der Nation“. Als aber der
König nunmehr die Beseitigung der Patrimonialgerichte vorschlug, da
widersprach selbst der ostpreußische Landtag wiederholt und nachdrücklich.
Auch ein anderer Lieblingsplan des bauernfreundlichen Fürsten, die Auf-
hebung der bäuerlichen Dienste und die Verwandlung aller unterthänigen
Bauerngüter in freies Eigenthum, stieß auf den Widerstand des Adels.
Der Gedanke war keineswegs durch die französische Revolution angeregt,
sondern ergab sich nothwendig aus der alten Gesetzgebung der Hohen-
zollern, die seit hundert Jahren auf die Befreiung des Landvolks los-
steuerte; gleichzeitig und ganz unabhängig von einander empfahlen Beamte
wie Stein und Hippel, Schriftsteller wie Leopold Krug die Aufhebung
der Erbunterthänigkeit. Auf den Domänen in West= und Ostpreußen
gelang dem wackeren Präsidenten Auerswald die Beseitigung des Schar-
werks, und wo ein Edelmann freiwillig zu der gleichen Reform bereit
war, da ermunterte ihn der König in jeder Weise; doch ein umfassendes
Gesetz für die ganze Monarchie wagte man nicht zu erlassen. Der
Widerspruch ging nicht bloß von den Grundherren aus, sondern auch von
den rohen Bauern, welche jede Aenderung des Bestehenden mit zähem
Mißtrauen ansahen; sogar die Baumpflanzungen an den neuen Land-
straßen waren vor den Fäusten dieser Barbaren nicht sicher.
Derselbe unbelehrbare Trotz zeigte sich auch, als der König, ganz aus
dem freien Antriebe seines guten Herzens, die Verbesserung der Elementar-
schulen in Angriff nahm und die allgemeine Schulpflicht in vollem Ernst