Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

170 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. 
Gleichwohl sprachen überwiegende Gründe für den Zutritt Preußens 
zu dem Dreibunde. In der Absicht, den Fluthen der Welteroberung endlich 
Schranken zu setzen, stimmten die Berliner Staatsmänner mit den drei 
Mächten überein; Graf Haugwitz war über den Charakter der französischen 
Politik endlich in's Klare gekommen. Und wenn jede der verbündeten 
Mächte ihre Hintergedanken verfolgte, so konnte Preußen um so gewisser 
durch entschlossenes Handeln seine deutsche Machtstellung befestigen. Eng- 
land bereitete eine Landung an der holländischen Küste vor, Oesterreich 
versammelte seine Heere in Oberdeutschland und Italien. Warf Preußen, 
diesmal an seinen Ostgrenzen unbedroht, seine gesammten Streitkräfte 
in die weite Lücke zwischen diesen beiden Kriegsschauplätzen, so ging nach 
menschlichem Ermessen der ehrliche Herzenswunsch des jungen Königs, die 
Wiedereroberung der Rheinlande, in Erfüllung, und der siegreiche Staat 
erwarb sich durch deutsche Thaten die nordische Hegemonie, die er bisher 
nur scheinbar besaß. Es war die Schuld des Königs und seiner alters- 
schwachen Generale, daß die große Stunde unbenutzt blieb. Der zaudernde 
Fürst hielt den Augenblick der Niederwerfung der Revolution noch nicht 
gekommen, er wollte die Ereignisse abwarten, seine Kräfte schonen für 
einen möglichen letzten Schlag. Das ruheselige Norddeutschland stimmte 
dem kleinmüthigen Entschlusse freudig zu; seine Fürsten und Stämme 
segneten die Wiederkehr der Baseler Neutralitätspolitik. 
So begann denn ohne Preußens Zuthun der ungeheure Kampf. 
Die Schlacht von Abukir begründete die mediterranische Herrschaft der 
Briten, vereitelte Bonaparte's orientalische Pläne; Suworow's und Melas' 
Siege entrissen Italien den Franzosen; Erzherzog Karl drang in Ober- 
deutschland siegreich vorwärts, und abermals schloß sich die Bauerschaft des 
deutschen Südens den kaiserlichen Truppen an. Das Gebiet der Republik 
lag offen vor den Heeren der Coalition, aber nochmals wurde die Zwietracht 
der Verbündeten die Rettung Frankreichs. Der Hochmuth der russischen 
Heerführer erschien der Hofburg ebenso unleidlich wie die Politik des Czaren, 
der in Italien die Herstellung der legitimen Regierungen forderte und für 
sich selber nach Korfu und Malta griff. Während Thugut die Halbinsel 
der Herrschaft Oesterreichs zu unterwerfen trachtete, arbeitete ihm Suworow 
mit jedem Mittel entgegen und weigerte sich endlich geradezu, den Sieg 
auszubeuten und die letzte Position der Franzosen in Italien, Genua, zu 
erobern. Auf Englands Vorschlag wurde der große Russe von der offenen 
Siegesstraße hinweg nach der Schweiz gesendet und vergeudete Zeit und 
Kraft auf jenen heroischen Alpenmärschen, welche zwar der staunenden 
Welt die gewaltige Ausdauer der russischen Soldaten zeigten, aber mili- 
tärisch unfruchtbar blieben. Als das mit so glänzenden Hoffnungen be- 
gonnene Jahr 1799 sich zum Ende neigte, ging der gewaltige Dreibund 
in bitterem Unfrieden auseinander; der Czar rief seine Truppen heim, 
von einer Bedrohung des Gebietes der Republik war keine Rede mehr.
	        
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