Napoleonisches Kaiserthum. 217
Bürgschaft für die bürgerliche Ordnung Frankreichs und säumte nicht die
Anerkennung auszusprechen; aber von der norddeutschen Kaiserkrone, welche
Napoleon's Diplomaten in unbestimmten Andeutungen darboten, wollte
Friedrich Wilhelm's bescheidener Sinn nichts hören. Die kleinen Reichs—
stände, die guten wie die schlechten, Baden und Hessen-Rothenburg, Fürsten—
berg und Leiningen, Bremen und Augsburg sendeten dem gekrönten Plebejer
unterwürfige Glückwunschschreiben, deren byzantinische Niedertracht selbst
die Schmeicheleien der Franzosen in Schatten stellte. Sie unterzeichneten
sich als Seiner Majestät allerunterthänigste und allergehorsamste Diener,
feierten den Hort und Beschützer der deutschen Verfassung, den Helden
und Friedensbringer, zu dessen glänzendem und wohlthätigem Genie der
Welttheil in stummer Bewunderung aufblicke, schilderten beweglich, mit
welcher Freude alle dentschen Herzen diesen neuen Caesar empfingen, der
ihrem ersten Kaiser Karl so ähnlich sei, dankten inbrünstig für die bei den
deutschen Entschädigungshändeln empfangenen Wohlthaten und empfahlen
sich schließlich zu huldvoller Berücksichtigung für den Fall einer neuen
Ländervertheilung.“)
Um das Maß der deutschen Entwürdigung zu füllen hielt Napoleon
im Herbst 1804 eine Rundreise durch die neugewonnenen rheinischen Lande.
In der alten Kaiserstadt Aachen übergab ihm der Gesandte des Kaisers
Franz sein neues Beglaubigungsschreiben; aufrichtiger Jubel des Volks
empfing den Friedensfürsten in allen rheinischen Städten. Dann hielt er in
Mainz seinen prunkenden Hoftag, in denselben Räumen, wo zwölf Jahre
zuvor das alte Reich seine letzten Feste gefeiert hatte. Die Fürsten des
Südens und des Westens eilten herbei dem Nachfolger Karl's des Großen
ihre Huldigungen darzubringen. Alles schwelgte in karolingischen Erinne-
rungen; schon besprach man die Pläne für einen zweiten rheinischen Bund.
Aber im einsamen Zimmer fiel der redliche alte Karl Friedrich von Baden
dem Erzkanzler Dalberg schluchzend in die Arme und bejammerte den
Untergang seines Vaterlandes. Was hatte dieser Fremdling gemein mit
dem alten königlichen Bauersmanne der Germanen, der Nachts die Reben
des rheinischen Winzers segnet? was wußte er von jenem Zauberringe
der Fastrade, der einst den deutschen Karl zum deutschen Strome zog?
Eine harte, mißtrauische Fremdherrschaft lastete auf Deutschland noch bevor
seine Fürsten sich dem Imperator förmlich unterworfen hatten. Ueberall
im Reiche hielt Napoleon seine Späher; zehn Spione, so schrieb er, ge-
nügen kaum für eine Stadt wie Hamburg. Niemand war sicher vor den
Griffen seiner Polizei. Der in Hamburg von den Franzosen aufgegriffene
englische Agent Rumbold wurde zwar auf die Verwendung des Königs
von Preußen wieder freigegeben; doch Napoleon's Vertraute wußten, ihr
Herr würde dem Hohenzollern diese Auflehnung gedenken.
*) Im 29. Bande der Preuß. Jahrbücher (1872, S. 103f.) habe ich diese Briefe
veröffentlicht.