Universität Berlin. 339
bekannte der preußische Staat, daß er fortan die deutsche Wissenschaft in
sein Herz schließen und sich nicht mehr von ihr trennen wolle. Edler,
würdiger konnte er seine geistige Ueberlegenheit dem prahlerischen Sieger nicht
zeigen. Wo war in der großen Wüstenei des Imperatorenreichs ein Verein
von Denkern, wie er sich hier um die Wiege der neuen Stiftung schaarte: die
Theologen Schleiermacher und Marheineke, die Juristen Savigny und Eich—
horn, der Arzt Hufeland, der Landwirth Thaer, in der philosophischen Facultät
Fichte, Boeckh, Buttmann und vor allen Anderen doch Niebuhr, der mit seinen
Vorlesungen über römische Geschichte dem Berliner akademischen Leben ein
für allemal das Gepräge sittlichen Ernstes und wissenschaftlicher Strenge gab.
Als Humboldt, erbittert über die Unfähigkeit des Ministeriums, seine
Stellung aufgab und wieder in die diplomatische Laufbahn eintrat, die
ihm mehr Muße gewährte sich selber zu leben, da blieben doch einige
Räthe zurück, die in seinem Sinne weiter wirkten, namentlich der milde
feinsinnige Süvern. Die großen Grundsätze für die Leitung des höheren
Unterrichts standen fest seit den Verhandlungen über die Berliner Uni—
versität; man brauchte sie nur anzuwenden als man jetzt daran ging
auch die katholischen Bildungsanstalten zu verjüngen. Die alte Jesuiten—
akademie zu Breslau wurde mit der strengprotestantischen Frankfurter
Viadrina vereinigt und aus beiden die neue Breslauer Universität ge-
bildet (1811). Auch diese Neugründung war ein Markstein in der Ge-
schichte unseres geistigen Lebens. Wie viele schwere Kämpfe hatte der
Gedanke der Parität an den deutschen Hochschulen bestehen müssen seit
Pfalzgraf Karl Ludwig in seinem Heidelberg zuerst den alten starren
Grundsatz der Glaubenseinheit beseitigte. Jetzt war die Duldsamkeit der
neuen Philosophie tief in die Anschauungen der gebildeten Klassen einge-
drungen. Jedermann fand es in der Ordnung, daß allen Confessionen
der Zutritt zu den weltlichen Facultäten der Berliner Hochschule frei-
gestellt wurde. In Breslau ging der Staat schon einen Schritt weiter und
stiftete zwei theologische Facultäten, für die Katholiken und die Protestanten.
So entstand die erste paritätische Universität — eine charakteristische, dem
Auslande kaum begreifliche Eigenthümlichkeit des deutschen Lebens.
Welch ein Verhängniß nun, daß gerade in dieser Zeit, da Preußen
seinen ersten Staatsmann verbannen mußte, ein neues Kriegswetter über
Oesterreich heraufzog. Um Neujahr 1809 folgte das preußische Königs-
paar einer dringenden Einladung Alexander's nach Petersburg. Mit bei-
spiellosem Glanze empfing der Czar seine Gäste, als ob er sie entschädigen
wollte für die Untreue von Tilsit; auch der Hofadel suchte durch über-
schwängliche Ehrenbezeigungen seinen Franzosenhaß zu bekunden. Seit-
dem verband die beiden Höfe ein Verhältniß persönlicher Vertraulichkeit,
wie es noch niemals zwischen Großmächten bestanden hatte; der preußische
Gesandte wurde fortan in Petersburg stets wie ein Angehöriger der kaiser-
lichen Familie behandelt. Das politische Ergebniß der Reise war gleich-
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