Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

346 I. 3. Preußens Erhebung. 
die Verhandlungen über das Bündniß noch schwebten, sendete sie schon 
einen Militärbevollmächtigten, den Oberst Steigentesch nach Königsberg, 
um den König vor Napoleon bloßzustellen. Steigentesch trat bei Hofe 
mit herausfordernder Keckheit auf; er verlangte, als sei man schon han- 
delseinig, für den Erzherzog Karl den Oberbefehl über das preußische 
Heer und verrieth nachher in Berlin die vertraulichen Aeußerungen des 
Königs an den westphälischen Gesandten Linden, der Alles getreulich dem 
Imperator meldete. War doch in Preußen selbst die Erbitterung gegen den 
königlichen Zauderer so stark, daß einige Patrioten alles Ernstes riethen, 
die österreichischen Truppen in Polen sollten durch Schlesien marschiren, 
damit der Hof gezwungen werde sich zu erklären! Eine einfache Militär- 
convention und allenfalls noch eine Bürgschaft für den gegenwärtigen 
Besitzstand, das war Alles was Kaiser Franz dem preußischen Staate in 
Aussicht stellte für einen Kampf der Verzweiflung! Friedrich Wilhelm 
aber verlangte, wie billig, einen förmlichen Staatsvertrag, der seiner Mon- 
archie die Wiederherstellung ihrer alten Macht mit haltbaren Grenzen 
gewährleiste. Auch in allen anderen Fragen der deutschen Politik gingen 
die Absichten der beiden Mächte weit auseinander. Oesterreich zeigte sich 
geneigt, im Falle des Sieges Warschau wieder an die Krone Preußen 
zurückzugeben. Der König dagegen war seit dem großen Treubruch von 
1806 von der Werthlosigkeit dieses Besitzes überzeugt und wünschte für 
seinen Staat nur so viel polnisches Gebiet als unentbehrlich war um die 
Verbindung zwischen Schlesien und Altpreußen zu sichern; aus dem 
übrigen Lande hätte er gern ein nationales polnisches Herzogthum unter 
dem gemeinsamen Schutze der drei Ostmächte gebildet, wenn Preußen 
dafür in Deutschland, etwa in Sachsen, entschädigt würde. Doch Kaiser 
Franz war keineswegs gesonnen irgend eine Verstärkung Preußens auf 
deutschem Boden zuzugeben; und als der preußische Unterhändler Knese- 
beck im Spätsommer, nach Oesterreichs Niederlagen, den alten Barten- 
steiner Plan einer zweifachen Hegemonie in Deutschland zur Sprache 
brachte, da begegnete er kalter Abweisung. Selbst das Unglück hatte den 
Dünkel des Hauses Lothringen nicht gebrochen. Der warme Freund 
Oesterreichs schrieb traurig heim: man könne sich nicht mehr darüber 
täuschen, die Hofburg wolle den preußischen Staat nicht als eine eben- 
bürtige Macht anerkennen. 
Also thaten Oesterreichs Hochmuth, die Unfähigkeit der englischen 
Politik und die durchtriebene Berechnung des Czaren wetteifernd das Ihre 
um der preußischen Krone den Eintritt in den Krieg unmöglich zu machen. 
Des Königs ruhiger Soldatenblick beurtheilte auch den Gang der Kriegs- 
ereignisse richtiger als seine aufgeregte Umgebung; er hielt die Schlacht 
von Aspern nur für die rühmliche Abwehr eines Angriffs, nicht für einen 
entscheidenden Schlag, und der Erfolg gab ihm Recht. Erzherzog Karl 
verstand den Sieg seiner Soldaten nicht zu benutzen, blieb wochenlang
	        
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