Friedrich Wilhelm J. und die Staatseinheit. 30
sinn des sparsamen Hausvaters, dem weder die schwarzundweißen Heft-
fäden der Actenbündel noch die Kamaschenknöpfe der Grenadiere entgingen;
er faßte verwegene Pläne, die erst das neunzehnte Jahrhundert zu voll-
führen vermocht hat, und hielt doch im Handeln mit sicherem Blicke die
Grenzen des Möglichen ein. Sein prosaischer, auf das handgreiflich
Nützliche gerichteter Sinn ging andere Wege als die schwungvolle Helden-
größe des Großvaters, doch mitten im Sorgen für das Kleinste und
Nächste bewahrte er stets das Bewußtsein von der stolzen Bestimmung
seines Staates; er wußte, daß er die Kräfte des Volkes sammle und
bilde für die Entscheidungsstunden einer größeren Zukunft, und sagte oft:
„Ich weiß wohl, in Wien und Dresden nennen sie mich einen Pfennig-
klauber und Pedanten, aber meinen Enkeln wird es zu gute kommen!“
Durch das Heer wurde Preußen zur europäischen Macht erhoben,
und durch das Heer ward auch in das alte Verwaltungssystem des
Staates die erste Bresche geschlagen. Der große Kurfürst hatte für die
Verwaltung der neuen Steuern, die er zur Erhaltung seiner Kriegs-
macht verwendete, eine Reihe von Mittelbehörden, die Kriegscommissariate
eingesetzt; und so stand denn durch einige Jahrzehnte die Steuerwirth=
schaft des werdenden modernen Staates unvermittelt neben der Verwal-
tung der Kammergüter, dem letzten Trümmerstücke der Naturalwirthschaft
des Mittelalters. Friedrich Wilhelm I. hob diesen Dualismus auf. Er
schuf in dem Generaldirectorium eine Oberbehörde, in den Kriegs= und
Domänenkammern Mittelstellen für die gesammte Verwaltung und gab
diesen Collegien zugleich die Gerichtsbarkeit für die Streitfragen des öffent-
lichen Rechts. Die bunte Mannigfaltigkeit des Staatsgebietes zwang den
König freilich, eine zwischen dem Provinzial= und dem Realsysteme ver-
mittelnde Einrichtung zu treffen; er stellte an die Spitze der Abtheilungen
des Generaldirectoriums Provinzialminister, die zugleich einige Zweige
der Verwaltung für den gesammten Staat zu leiten hatten. Doch im
Wesentlichen wurde die Centralisation der Verwaltung begründet, früher
als irgendwo sonst auf dem Festlande. Was noch übrig geblieben von
altständischen Behörden ward beseitigt oder dem Befehle des monarchischen
Beamtenthums unterworfen; eine schonungslose Reform brach über die
tief verderbte städtische Verwaltung herein, beseitigte den Nepotismus der
Magistrate, erzwang ein neues gerechteres Steuersystem, warf die drei
Städte Königsberg, die zwei Communen der Havelstadt Brandenburg zu
einer Gemeinde zusammen, stellte das gesammte Städtewesen unter die
scharfe Aufsicht königlicher Kriegsräthe.
Ueberall trat der Particularismus der Stände, der Landschaften, der
Gemeinden der neuen gleichmäßigen Ordnung feindlich entgegen. Murrend
fügte sich der adliche Landstand den Geboten der bürgerlichen Beamten.
Die stolzen Ostpreußen klagten über Verletzung alter Freiheitsbriefe, da
nun Pommern und Rheinländer in die Aemter des Herzogthums ein-