Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Frankreichs neue Grenzen. 563 
land und Oesterreich den Franzosen wetteifernd entgegen trugen, konnte 
von einer Verschärfung der ursprünglichen Bedingungen nicht mehr die 
Rede sein; die Frage war nur, wie viel Land Talleyrand's Schlauheit 
noch zu dem alten Gebiete hinzu erhandeln würde. Wohl bäumte sich der 
französische Hochmuth noch zuweilen auf. Am 11. Mai verlangten die 
Marschälle im Staatsrathe die Wiedereröffnung des Krieges, offenen Wider- 
stand gegen die schimpflichen Anforderungen der Coalition, und die preu- 
ßischen Generale befürchteten einige Tage lang den Ausbruch eines Straßen- 
kampfes in Paris.)) Doch das Gewölk zog vorüber, die Nüchternheit 
König Ludwig's wollte sich auf den tollen Vorschlag nicht einlassen. 
Jene Vereinbarung von Chatillon, kraft deren die Vertheilung der 
abgetretenen Provinzen den Alliirten allein überlassen blieb, wurde auf- 
recht erhalten, Dank der Festigkeit Hardenberg's. Indeß erreichte Talley- 
rand, daß man diesen Satz in den geheimen Artikeln des Friedensver- 
trags begrub; die Franzosen durften nichts erfahren von jener Bestimmung, 
die ihrem Stolze am unerträglichsten war. Bei der Berathung über die 
einzelnen Punkte der Grenze bereitete die Nachgiebigkeit der drei Verbün- 
deten Preußens dem französischen Minister einen Triumph nach dem 
andern. Er bewirkte nicht nur, daß alle von französischem Gebiete ein- 
geschlossenen Herrschaften, Avignon und Venaissin, Mömpelgard und die 
elsässischen Reichslande, bei Frankreich verblieben, sondern erlangte auch 
noch einige köstliche Außenposten über die alten Grenzen hinaus: so Sa- 
voyen und einen Landstrich an der belgischen Grenze mit der wichtigen 
Maasfestung Givet. Mit der äußersten Zähigkeit marktete er um jeden 
Brocken Landes; nur durch Humboldt's entschiedenen Widerspruch wurde 
Kaiserslautern für Deutschland gerettet. *) Dagegen überließ man die 
altpfälzischen Gebiete, die zwischen den Weißenburger Linien und der 
Enclave Landau lagen, an Frankreich, und um die Grenze bei Saarlouis 
abzurunden wurde sogar Saarbrücken mit seinem unschätzbaren Kohlen— 
becken und der alten nassauischen Fürstengruft von St. Arnual preisge- 
geben. Die treue deutsche, altprotestantische Stadt war in Verzweiflung. 
Sie hatte so ganz fest gebaut auf die Versicherung des Generalgouver- 
neurs Gruner: wer deutsch spricht soll deutsch bleiben. Nun vernahm 
Stein tief erschüttert die rührenden Klagen dieser wackeren Lothringer über 
ihre schreckliche Lage, die in dem Herzen jedes Deutschen Trauer erregen 
müsse und legte ein gutes Wort ein für die Bitte der Saarbrücker, daß 
man ihre Söhne mindestens im deutschen Staatsdienste anstellen möge) 
Besser ward für die Schweiz gesorgt, natürlich wieder auf Deutschlands 
Kosten: man konnte gar nicht genug thun die gerühmten Polsterkissen an 
  
*) Gneisenau an Hardenberg, 13. Mai 1814. 
**) Humboldt an Hardenberg, 17. Mai 1814. 
***) Eingabe des Oberbürgermeisters Laukhard an Gruner, Saarbrücken, 7. Juni 
1814. Stein an Hardenberg, 15. Juni 1814. 
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