566 I. 5. Ende der Kriegszeit.
Schuppen hervor; wie jubelte Jacob Grimm, als er sich eines Morgens
auf die eherne Quadriga setzte und dort sein Frühstück verzehrte. Auch
der Degen Friedrich's des Großen fand sich wieder, und Grimm ent-
deckte mit dem Spürsinne des Sammlers noch einige Schätze der Casseler
Bibliothek in ihrem Versteck. Das war Alles. Freiherr von Oelssen, den
der König im Spätsommer zur Abholung der preußischen Kunstwerke nach
Paris sendete, wurde monatelang mit Ausflüchten und leeren Reden hin-
gehalten.) Da die anderen drei Mächte für Preußens Ansprüche kaum
einen Finger regten, so hielt sich König Ludwig seines Wortes entbunden.
Sein gesammtes Volk stand hinter ihm wie ein Mann; kein Franzose,
der nicht die Zurückforderung des völkerrechtswidrigen Raubes für ein
himmelschreiendes Unrecht gehalten hätte. Mit erschreckender Klarheit trat
zu Tage, wie von Grund aus die Plünderungszüge des Kaiserreichs das
Rechtsgefühl in dieser Nation verwüstet hatten und wie nöthig es war, sie
durch eine strenge Züchtigung wieder an die sittlichen Grundgedanken jeder
friedlichen Staatengesellschaft zu erinnern.
Stand es also, wie durfte man hoffen, daß die Allürten sogleich auf
die von Preußen beanspruchte Gebietsentschädigung eingehen würden?
Seinen eigenen Antheil an der Beute hatte Oesterreich soeben in Sicher-
heit gebracht. Am. 20. April zogen die Oesterreicher nach einem schlaffen
unrühmlichen Feldzuge in Venedig ein; am selben Tage warf ein unbe-
sonnener Aufstand der Mailänder das Königreich Italien über den Hau-
fen. So erlangte Kaiser Franz fast mühelos durch eine seltene Gunst des
Glückes den Besitz von Ober= und Mittelitalien und war daher weniger
denn je geneigt, dem beargwöhnten Preußen gegenüber irgend eine Ver-
pflichtung zu übernehmen. Gleichwohl wagte Hardenberg, wie seine Pflicht
gebot, den aussichtslosen Versuch und legte am 29. April jene Forderun-
gen, die er schon in Basel ausgesprochen hatte, in einer ausführlichen
Denkschrift den Verbündeten vor.)
Er beginnt mit dem aufrichtigen Geständniß, daß Preußen für alle
anderen Mächte freundliche Absichten hege, nur nicht für Dänemark; denn
das soeben an die Dänen abgetretene schwedische Pommern müsse um
jeden Preis preußisch werden. Für Deutschland fordert er eine Bundes-
acte, welche vornehmlich eine kräftige Kriegsordnung einrichten, die Be-
ziehungen zwischen Fürsten und Unterthanen, desgleichen das Gerichts-
wesen und den deutschen Handel regeln und „die Stelle einer Verfassung
vertreten“ soll. Holland und die Schweiz schließen ein ewiges Bündniß
mit dem Deutschen Bunde. Rußland erlangt den größten Theil von
Warschau mit etwa 2,, Millionen Einwohnern; Preußen erhält Posen
bis zur Warthe, mit Einschluß von Thorn, etwa 1,3 Millionen Köpfe;
*) Berichte des Gesandten Grafen von der Goltz aus Paris vom 31. October
1814 u. f.
**) Hardenberg's Plan pour l'arrangement futur de IEurope, 29. April 1814.