Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Nochmals das Comité der Vier. 655 
revolutionären Dynastien sind alle verschwunden bis auf die eine, die in 
Neapel haust, die legitimen alle wiederhergestellt bis auf die eine des un- 
glücklichen Königs von Sachsen; „die Revolution ist also noch nicht ge- 
schlossen;" und Frankreich erwartet, daß der Congreß seine Pflicht erfülle. 
— Schon die nächsten Tage lehrten, daß Frankreichs Vertragsbruch den 
österreichischen wie den englischen Staatsmännern hochwillkommen kam. 
Die drei Mächte waren einig; bereits am 14. December hielt Metternich 
die werdende Tripel-Allianz für so gesichert, daß er den sächsischen Agenten 
Schulenburg beauftragte, er möge seinem königlichen Herrn schreiben: 
Sachsen ist gerettet! — 
Da die formlosen Verhandlungen nicht zum Ziele führten, so beschloß 
man endlich, das Comite der Vier wieder einzuberufen und die Gebiets- 
fragen feierlich vor dem Forum der vier verbündeten Großmächte zu er- 
ledigen. Am 29. December begann dies Comité auf's Neue zu tagen. 
Der Verlauf war wie zu erwarten stand: über Mainz war alle Welt 
einig; desgleichen über die Hauptpunkte der polnischen Angelegenheit; nur 
die sächsische Frage rückte nicht von der Stelle. Eine neue Note Harden- 
berg's an Metternich (v. 29. Dec.) fragte die Gegner: „will man Preußen 
in die Nothwendigkeit setzen, in Zukunft nach Vergrößerungen zu streben?“ 
Sie erregte einen Sturm der Entrüstung, da man die Wahrheit des Vor- 
wurfs fühlte. Auch eine Denkschrift Stein's (v. 20. Dec.) konnte den 
österreichischen Minister nur in seiner Ansicht bestärken. Der edle Mann 
sagte voraus, das wiederhergestellte Sachsen werde im Norden eine ebenso 
gefährliche Macht der Zwietracht sein wie Baiern im Süden; er ahnte 
nicht, daß die Hofburg nichts sehnlicher wünschte als ein norddeutsches 
Baiern. 
Die Hintergedanken Oesterreichs verriethen sich schon in der ersten 
Sitzung der Vier, als Metternich den Eintritt Talleyrand's in das Comité 
beantragte; zugleich erklärte er, ohne die Genehmigung Friedrich August's 
könne die sächsische Frage nicht entschieden werden. Das hieß den Alber- 
tiner zum Herrn der Frage machen. So weit wollte Castlereagh aller- 
dings nicht gehen; aber für den Zutritt des französischen Ministers sprach 
auch er sich aus. Nach der wunderbaren Logik dieses Kopfes war die Zu- 
lassung Frankreichs schon darum nothwendig, „weil die Verträge von Kalisch 
und Reichenbach nach dem geheimen Artikel des Pariser Friedens auch für 
Frankreich rechtsverbindlich seien“" — und doch schloß jener selbe Artikel 
Frankreich von jeder Mitwirkung bei den Gebietsverhandlungen ausdrück- 
lich aus. Solchen Zumuthungen traten Rußland und Preußen mit wieder- 
holten scharfen Erwiderungen entgegen; sie wollten Friedrich August unter 
keinen Umständen und auch Talleyrand erst dann in das Comité einlassen, 
wenn die vier Mächte sich bereits geeinigt hätten. Es fielen bittere Worte, 
ernste Drohungen. Unter dem Eindruck dieser leidenschaftlichen Auftritte 
verfiel Lord Castlereagh zuerst auf den unseligen Gedanken, welchen Talley-
	        
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