Gneisenau. Sack. Gruner. 191
der lauten Tafelrunde saß, wenn die Lieder Arndts und Körners erklangen,
die Kriegsmänner von ihren Fahrten erzählten und Meusebach durch den
urkräftigen Humor seiner geistreichen Verse alles zu stürmischem Gelächter
hinriß, dann meinte Schenkendorf glückselig:
So hab' ich wohl im Knabentraume
Die alte Ritterschaft gesehn.
Auch im Lande hatte sich der freimütige Held bald alle Herzen gewonnen;
als er die Mosel hinauf fuhr, kamen aus jedem Dorfe singende Land—
leute herangerudert und reichten ihm den Ehrenwein.
Das fröhliche Nachspiel der großen Kriegszeit sollte nicht lange währen.
Gneisenau hatte schon als die Schmalzische Schrift erschien den Staats-
kanzler gewarnt, diesem ersten Schlage würden schwerere folgen, und mußte
nun erfahren, daß man bei Hofe ihn selber als das Haupt des Tugend—
bundes anschwärzte, seine heitere Tafelrunde „Wallensteins Lager“ nannte.
Die Verleumdung verstimmte ihn um so tiefer, da er eben jetzt von jener
krankhaften Abspannung befallen wurde, welche die Männer der Tat
beim Eintritt ruhiger Zeiten so häufig heimsucht; er fühlte sich im Friedens-
dienste wie der Fisch auf dem Sande und legte schon im Sommer 1816
sein rheinisches Kommando nieder, teils seiner Gesundheit wegen, teils
um den Gegnern zu beweisen, daß er keine ehrgeizigen Absichten hege.)
Auch dann noch hörten die Afterreden am Hofe nicht auf; der König aber
blieb den Einflüsterungen unzugänglich, und kaum zwei Jahre später über-
nahm Gneisenau, nachdem sein Körper sich in den schlesischen Bergen
wieder erholt hatte, die Stelle des Gouverneurs von Berlin.
In denselben Tagen wurde der Oberpräsident Sack vom Rheine nach
Stettin versetzt. Anderthalb Jahre lang hatte er die provisorische Ver-
waltung in seiner rheinischen Heimat mit Geschick und Umsicht geleitet;
aber wie er einst als brandenburgischer Oberpräsident mit dem feudalen
Adel zusammengeraten war, so konnte es dem derben, durchgreifenden
Beamten auch jetzt nicht an Feinden fehlen. Die Minister Wittgenstein,
Schuckmann, Bülow beschwerten sich über seine Unbotmäßigkeit; mit dem
Militärgouverneur General Dobschütz lebte er in offener Fehde. Freiherr
von Mirbach und andere aus dem stolzen niederrheinischen Adel verklagten
ihn wegen bureaukratischer Härte und Zurücksetzung der Edelleute; selbst
seine Freunde konnten nicht leugnen, daß er sich in den Zeitungen mehr
als für einen preußischen Beamten schicklich war loben ließ und seine
zahlreiche Vetterschaft, „die Säcke", doch gar zu sorgsam in der rheinischen
Verwaltung untergebracht hatte. Nach so zahlreichen Klagen fand es Har-
denberg geraten, dem verdienten Manne einen anderen Wirkungskreis an-
zuweisen; er blieb bei seinem Entschlusse, obgleich Sack sich schwer beleidigt
fühlte, die große Mehrzahl der Rheinländer ihren Landsmann ungern
"*) Gneisenau an Hardenberg, 26. März und 21. April 1816, 6. Febr. 1821.