Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
1. 
□ 
S. 
Dort in der reichen Talbucht, dicht vor dem Eingangstore des rhei- 
nischen Wunderlandes konnte vielleicht ein anderes Heidelberg entstehen, 
eine Stätte freier Forschung und froher Burschenlust, ein Sammelplatz 
für die deutsche Jugend aus allen Gauen. Selbst der trockene Schuck- 
mann fühlte sich von einem Hauche der Jugend angeweht, als er einst auf 
der Höhe des Koblenzer Tores zu dem Standbilde des heiligen Michael 
hinaustrat und über dem grünen Strome und der üppigen Ebene die steilen 
Gipfel der Sieben Berge erblickte: „hier ist unser Ortl“" rief er entzückt. 
In der kleinen Stadt war die Universität die Herrin und einer unge- 
störten Freiheit sicher; hatte doch schon in den letzten kurfürstlichen Zeiten 
zehn Jahre lang in Bonn eine rührige Hochschule bestanden, die den freieren 
Geist der josephinischen Aufklärung gegen den kölnischen Klerus vertrat. 
Diese Erwägungen schlugen durch, und am 26. Mai 1818, an demselben 
Tage, da das neue Zollgesetz unterzeichnet wurde, bestimmte der König 
die Stadt Bonn zum Sitze der rheinischen Hochschule. 
Es war bereits die vierte Universität, die unter der Regierung dieses 
Fürsten gegründet oder gänzlich neu gestaltet wurde — von allen Wohltaten, 
welche das Rheinland der Krone Preußen verdankte, vielleicht die größte. 
Hier wieder bewährte sich die alte Wahrheit, daß die Bildung des Volks 
am letzten Ende durch den Zustand der höchsten Unterrichtsanstalten bestimmt 
wird. Bonn erhielt in dem geistreichen Schwaben Rehfues einen tätigen, 
geschäfts= und menschenkundigen Kurator; Hüllmann, Sack, Nöggerath, 
Harleß und die beiden Welcker traten gleich zu Anfang ein, auch Arndt 
wurde durch einen herzlichen Brief Hardenbergs berufen „der Jugend den 
Grundton für die Gesinnung des Lebens zu geben,“ und wenige Jahre 
später, als Niebuhr den Lehrstuhl bestieg, stand die neue Universität be- 
reits in voller Blüte. So wunderbar hatten sich Deutschlands Geschicke 
verschlungen: erst der preußische Staat, der in dem jungen Kolonialboden 
des Nordostens wurzelte, führte diese Heimatlande der ältesten deutschen 
Kultur zu der modernen Bildung der Nation zurück. In Bonn und in 
den anderen Lehranstalten, die sich der Hochschule anschlossen, entstand 
zuerst wieder ein freies Nebeneinanderleben der Glaubensbekenntnisse; die 
Mehrzahl der Rheinländer empfing jetzt erst Kunde von den Werken unserer 
klassischen Literatur, und das reichbegabte Volk lebte sich in diese neue 
Welt so schnell ein, daß der Spott der Nachbarn über die Unwissenheit der 
alten Krummstabslande bald ganz verstummte. 
Die rheinische Hochschule erforderte während der ersten Jahre mehr 
Aufwand als alle anderen Universitäten insgesamt. Für die mittleren 
Lehranstalten blieben nur sehr bescheidene Geldmittel übrig. Aber der 
unermüdliche Johannes Schulze, den sich Altenstein vom Rheine herbei- 
gerufen hatte, wußte immer wieder Rat zu schaffen. Dem lachte die 
Freude aus den Augen, so oft ein tüchtiger Lehrer für Preußen gewonnen 
war, und wer ihn so mit heiligem Eifer für die Wissenschaft sorgen sah,
	        
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