Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Unterrichtswesen. 237 
verzieh dem feurigen Manne gern seine blinde Vorliebe für die neue 
Hegelsche Lehre. Eine ganze Reihe neuer Gymnasien ward gegründet, 
vornehmlich in Posen und am Rhein, im Jahre 1825 bestanden ihrer 
bereits 133, und während man anfangs die Philologen von auswärts 
hatte herbeirufen müssen, gewann der Name der preußischen Lehramts- 
kandidaten bald überall ein gutes Ansehen und Preußen konnte den Nach- 
barn von seinem eigenen Uberfluß abgeben. Auch für den Elementar- 
unterricht sorgte Altenstein zunächst durch die Erziehung tüchtiger Schul- 
lehrer. In den zahlreichen neuen Seminarien wuchs ein Schulmeisterstand 
heran, der die abgedankten Unteroffiziere der fridericianischen Zeit an 
Kenntnissen weit übertraf, aber auch schon zuweilen die Unarten der vor- 
lauten Halbbildung zeigte. Namentlich die ostpreußischen Lehrer, welche der 
frische, heitere, volkstümlich derbe Obersachse Dinter heranzog, zeichneten 
sich durch flachen Rationalismus aus. Ebenso rührig, doch minder ein- 
seitig wirkte Diesterweg am Niederrhein. Nach einigen Jahren schon konnte 
Altenstein nachweisen, daß in Preußen mehr Kinder die Schule besuchten 
als in irgend einem anderen Großstaate; gleichwohl blieben die Elementar- 
schulen noch weit hinter seinen Wünschen zurück. Im Westen setzte die 
niedere Geistlichkeit den Schulbehörden einen zähen stillen Widerstand ent- 
gegen, der sich kaum leichter überwinden ließ als der Stumpfsinn der Eltern 
in den polnischen Landesteilen. In den deutschen Provinzen des Ostens 
erschwerte die Armut der vielen kleinen Landgemeinden jede Verbesserung. 
Dem hochfliegenden Idealismus Süverns genügte die reiche Tätigkeit 
der Unterrichtsverwaltung nicht. Der treffliche Mann überschätzte, gleich 
der Mehrzahl der Zeitgenossen, den Wert jener allgemeinen politischen 
Programme, welche Hardenberg während der ersten Jahre seiner Staats- 
kanzlerschaft in die preußische Gesetzgebung eingeführt hatte. Er hielt für 
nötig, daß die leitenden Grundsätze des Unterrichtswesens in ihrem inneren 
Zusammenhange dem Volke dargelegt würden, und beantragte im August 
1817 die Abfassung eines Schulgesetzes, das dem gesamten Deutschland 
zum Muster dienen sollte. Hochbegeistert, mit einer Staatsgesinnung, 
die den Einfluß platonischer Ideen nicht verkennen ließ, trat er an die 
Arbeit heran. Der Staat, so führte seine Denkschrift aus, erscheint 
selber als eine Erziehungsanstalt im großen, gibt seinen Genossen ein 
eigentümliches Gepräge des Geistes wie der Gesinnung; nicht auf die 
toten Kräfte der Natur ist der preußische Staat gegründet, sondern auf die 
lebendigen, unendlicher Erhöhung und Entwicklung fähigen des Menschen- 
geistes. Auch Altenstein verlangte als methodischer Philosoph vor allem 
„einen großen, allgemeinen Plan,“ damit Preußen „durch einen eigen- 
tümlichen Charakter von Ernst und Reife mit den gebildetsten Völkern 
Europas um den Vorrang buhlen“ könne. Dem Könige entging nicht, daß 
die Unterrichtsfrage, in so hohem Sinne aufgefaßt, die Grundlagen des 
gesamten Staatslebens berührte; darum wurde die Kommission, welche das
	        
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