238 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
Schulgesetz entwerfen sollte, aus Mitgliedern aller Ministerien zusam—
mengesetzt; auch das Kriegsministerium war durch General Wolzogen
vertreten.
Nach zwanzig Monaten, am 27. Juni 1819 kam ein reiflich durch-
dachter Entwurf zustande — das erste jener zahlreichen Unterrichts-
gesetze, an denen der preußische Staat sich bis zum heutigen Tage ver-
geblich abgemüht hat. Aber als der Minister nunmehr die Gutachten
der Oberpräsidenten und der Bischöfe einforderte, da mußte er erfahren,
daß auf dem streitigen Grenzgebiete zwischen Staat und Kirche eine wohl-
wollende Praxis leichter zum Ziele gelangt als die unanfechtbare Doktrin.
Die vielen allgemeinen Sätze des Entwurfs erregten einen Sturm wider-
sprechender Ansichten. Über die Teilnahme der Kirche am Schulwesen
konnte man sich theoretisch nicht verständigen, da die Bischöfe den Volks-
unterricht als causa ecclesiastica betrachteten, die Oberpräsidenten über
unbillige Begünstigung der Kirche klagten. Und zudem die heiklige Frage,
wie die winzigen Dörfer des Ostens die schwere Schullast aufbringen
sollten. So blieb der Entwurf liegen, und Altenstein erklärte dem Monarchen,
er werde vorläufig „die Schulordnung gewissermaßen vorbereitend ins
Leben setzen“. Und diese tatsächliche Ausführung entsprach im wesent-
lichen den Bedürfnissen der Zeit. Der Minister behandelte die Schulen
gemäß der Vorschrift des Allgemeinen Landrechts (T. II Tit. 12) durch-
aus als Veranstaltungen des Staates und hielt unverbrüchlich die drei
Grundgedanken der fridericianischen Unterrichtspolitik fest: den allgemeinen
Schulzwang, die Parität der Bekenntnisse, die Verteilung der Schul-
lasten auf alle Hausväter des Schulverbandes. Der Religionsunterricht
blieb nach wie vor die erste Pflicht der Elementarschule, und er sollte sich
streng an das kirchliche Bekenntnis der Mehrheit der Schulgemeinde an-
schließen; der Ortsgeistliche gehörte regelmäßig dem Schulvorstande an
und war befugt die Mängel zu rügen, aber die Entscheidung stand dem
Staate allein zu. Die Simultanschulen begünstigte der philosophische
Minister nicht; er wußte, wie oft sie den kirchlichen Frieden stören, die
Klarheit und Einheit des Unterrichts schädigen, und gestattete sie nur
wenn eine gemischte Gemeinde nicht imstunde war für jedes Bekenntnis
eine besondere Schule zu errichten. Auch die Lehrer der höheren Schulen
gehörten in der Regel einem Bekenntnis an; doch band sich Altenstein
nicht die Hände und berief, so lange noch an katholischen Lehrern Mangel
war, manche Protestanten an die katholischen Gymnasien des Rheinlands.
Die Juden blieben von den Lehrstellen der christlichen Unterrichtsanstalten
gesetzlich ausgeschlossen. Also gelang es die Souveränität des Staates zu
wahren ohne das gute Recht der Kirche zu verletzen. Reibungen mit den
kirchlichen Behörden kamen selten vor, da die Folgen der Freizügigkeit sich
erst allmählich zeigten und die Zahl der gemischten Schulgemeinden noch
nicht sehr groß war. —