Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

308 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
freien Rede endlich wieder, und alsbald regten sich alle, welche die Nacken— 
schläge des Despotismus erfahren hatten: die altwürttembergischen Land— 
stände und ihr mächtiger Familienanhang, die unvergeßlich beleidigten 
Fürsten und Reichsritter, die Reichsstädte und Prälaten. Der Haß 
gegen den König erweckte in den alten und den neuen Landesteilen zum 
ersten Male ein Gefühl der Gemeinschaft. Die Alt-Württemberger zeigten 
sich sofort entschlossen, ihre geliebte Verfassung zurückzufordern, die doch 
in den neuen Gebieten niemals zu Recht bestanden hatte. Die Neu- 
Württemberger gingen auf den Vorschlag ein, weil die umständlichen 
Formen des guten alten Rechts ein ganzes Arsenal voll scharfer Waffen 
zur Abwehr fürstlicher Ubergriffe darboten und die Bändigung der monarchi- 
schen Eigenmacht, diesem Könige gegenüber, allen als die wichtigste Auf- 
gabe erschien; man dachte sich's nicht allzu schwer, durch einige Zusätze 
über die Gleichberechtigung der Katholiken und die ständische Vertretung 
des Adels das unförmliche Verfassungsgebäude auch für die Neu-Württem- 
berger wohnlich einzurichten. 
Nur König Friedrich ahnte nichts von diesen Plänen. Am 15. März 
1815 eröffnete er selbst den Landtag und verkündete, daß er heute den 
Schlußstein zu dem Gebäude des Staates legen wolle. Darauf ward 
die neue Verfassung verlesen, der König gelobte feierlich sie zu halten 
und erklärte, daß sie hiermit sofort für alle seine Untertanen verbindlich 
werde. Jeder Satz dieses Grundgesetzes schien darauf angelegt, dem 
Könige für seine Lebenszeit die ungestörte Fortdauer der Selbstherrschaft 
zu sichern. Ein Landtag, nach denselben Grundsätzen gebildet wie der 
gegenwärtige, sollte in Zukunft aller drei Jahre zusammentreten um auf 
den Vorschlag der Krone über neue Steuern und neue Gesetze zu berat- 
schlagen; er durfte also weder die gegenwärtige unerträgliche Steuerlast 
vermindern, noch jene tausende königlicher Reskripte, welche in den 
letzten Jahren das Land zur Verzweiflung gebracht hatten, seiner Durch- 
sicht unterwerfen. Um ganz sicher zu gehen, hatte der König überdies 
erst in den jüngsten Tagen einige neue harte Gesetze über die Militär- 
pflicht und die Landesmiliz erlassen. Damit schwand jede Aussicht auf 
friedliche Besserung der Landesnot. Der preußische Gesandte von Küster, 
ein verständiger Mann, der den Aufenthalt an diesem Hofe kaum zu er- 
tragen vermochte, schrieb tief entrüstet seinem Monarchen: „Ew. Majestät 
werden selbst leicht beurteilen, ob eine solche Verfassung den Wünschen 
der Mächte entspricht.““) Der König übergab die Urkunde in goldener 
Kapsel den Präsidenten des Landtags. Aber kaum hatte er das Haus 
verlassen, so erhob sich der Heißsporn der Mediatisierten, Graf Georg von 
Waldeck und verlas eine längst vorbereitete Adresse, die in untertänigen 
Worten das königliche Geschenk zurückwies und rundweg erklärte: das 
  
*) Küsters Bericht, Stuttgart, 16. März 1815.
	        
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