Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Stourdza über die Universitäten. 485 
Amt Steinfeld wohl gefallen, legte aber Verwahrung ein, behielt sich 
seine erloschenen Sponheimer Erbansprüche und sein imaginäres pfälzisches 
Heimfallsrecht feierlich vor, kam bei jeder Gelegenheit darauf zurück, so 
daß Graf Bernstorff noch viele Jahre später über cette éternelle affaire 
de Sponheim zu seufzen hatte. Indes die Entscheidung war unwider- 
ruflich gefallen. — 
Aus allen diesen Beschlüssen sprach unverkennbar die redliche Absicht, 
durch Sicherung des Rechts überall in Europa den Frieden zu erhalten. 
Gleichwohl war die liberale Presse Deutschlands und Frankreichs nicht 
ganz auf falscher Fährte, wenn sie ihren Lesern seltsame Märchen erzählte 
von den reaktionären Plänen der Aachener Versammlung. In den ver- 
traulichen Gesprächen der Monarchen und der Staatsmänner wurden 
allerdings die ersten Verabredungen zum Kampfe gegen die deutsche Be- 
wegungspartei getroffen. Alle Ausländer zeigten sich entsetzt über den 
fieberischen Zustand Deutschlands; der ganze Bau der Wiener Verträge 
ruhte auf der politischen Nichtigkeit dieser Nation, und die Idee der deut- 
schen Einheit, selbst wenn sie nur aus dem Torenmunde erhitzter Studenten 
sprach, erschien allen als ein gemeinsamer Feind. Alle Fremden stimmten 
mit Gentz darin überein, daß „die Reaktion von 1813“ zwar in Frank- 
reich die revolutionäre Bewegung zu einem augenblicklichen Stillstande 
gebracht, doch in anderen Staaten, und vornehmlich in Deutschland, 
diese dämonischen Mächte erst erweckt habe. Mit lebhafter Teilnahme be- 
sprach man eine „Denkschrift über den gegenwärtigen Zustand Deutsch- 
lands“, welche der Zar auf dem Kongresse verteilen ließ. Ihr Verfasser 
Stourdza, ein sanfter, schwermütiger junger Walache, hatte dem russi- 
schen Kaiser vor kurzem eine phantastische Schrift zur Verherrlichung der 
griechischen Kirche überreicht und sich inzwischen ein wenig auf den deut- 
schen Universitäten umgesehen. Der laute Freimut unseres akademischen 
Lebens erschreckte den Schüchternen; er glaubte in ganz Deutschland eine 
krampfhafte Unruhe, in der Studentenschaft eine geradeswegs auf den 
Einheitsstaat gerichtete revolutionäre Bewegung wahrzunehmen und for- 
derte im Namen der Religion und Sittlichkeit strenge Maßregeln gegen 
die Universitäten: diese „gotischen Trümmer“", diese Staaten im Staate 
sollten ihrer alten Verfassung beraubt, die Studenten einfach als minder- 
jährige Bürger behandelt und zum Einhalten fester Lehrkurse gezwungen 
werden; da man die Preßfreiheit leider nicht ganz unterdrücken könne, so 
müsse man mindestens der Jugend die schlechten Bücher und Zeitschriften 
entziehen. Der ehrlich gemeinte, sehr unbedeutende Aufsatz fand, wenn 
auch nicht in allen Punkten, den Beifall des Zaren und der österreich- 
ischen Staatsmänner; die Preußen dagegen meinten, der junge Schwärmer 
rede wie der Blinde von den Farben. 
Da wurde die geheime Denkschrift plötzlich von einer Pariser Buch- 
handlung veröffentlicht, vermutlich durch die Schuld der unsauberen Um-
	        
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