Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Revolution in Spanien. 135 
sprach. Obgleich beide Mächte ihre Neutralität noch nicht förmlich auf— 
gaben, so genügte doch ihre wohlwollende Haltung um den Plan einer 
europäischen Einmischung, der in Petersburg mehrmals auftauchte, zu 
vereiteln. Zahlreiche englische Freiwillige traten in die Heere der Rebellen 
ein, getrieben von jenem sicheren nationalen Instinkt, der die Briten 
überall auszeichnet; auch der tapfere Hannoveraner Uslar und manche 
andere Offiziere der Deutschen Legion, die daheim mit ihrem guten Degen 
nichts mehr anzufangen wußten, erwarben sich hier neuen Kriegsruhm im 
Kampfe wider dieselben Spanier, mit denen sie einst Schulter an Schulter 
gefochten hatten. Und nun, im Jahre 1819 kam die wunderbare Kunde 
von Bolivar's verwegenem Zuge über das Hochgebirge der Cordilleren 
und von der Gründung der Republik Columbia; wetteifernd verherrlichte 
die Presse beider Welttheile den Befreier Bolivar, den anderen Washington, 
den Hannibal der Anden. Von der Seelenruhe und der staatsmännischen 
Klarheit des großen Virginiers lag freilich gar nichts in dem widerspruchs- 
vollen Charakter dieses creolischen Helden, der zwischen Tollkühnheit und 
Kleinmuth, zwischen patriotischer Hingebung und schauspielernder Eitelkeit, 
zwischen radicalen Meinungen und despotischen Gelüsten unstet schwankte. 
Jedoch das kriegerische Ungestüm dieser unfertigen Völker, ihre zähe 
Ausdauer in Noth und Entbehrung übertraf bei Weitem Alles was die 
Nordamerikaner einst für die Unabhängigkeit ihres Landes geleistet hatten, 
sie verdienten sich die Freiheit durch schwere Opfer; und wie wüst auch die 
Zustände in den neuen Republiken vorerst noch erschienen, wer über 
den nächsten Tag hinausblickte durfte doch nicht mehr verkennen, daß die 
Weltgeschichte dort eines ihrer großen Gerichte hielt und wieder einmal 
den grausamen Wahrspruch fällte: Sic vos non vobis! Das Werk 
der Conquistadoren, die Entdeckung der neuen Welt konnte sich erst voll- 
enden, als ihr Kolonialreich in Trümmer fiel, denn jetzt erst begann 
die europäische Gesittung in vollerem Strome über den jungen Welttheil 
hereinzufluthen. — 
Eine seltsame Gunst des Schicksals fügte es nun, daß dieselben 
revolutionären Ideen, welche den Führern der aufständischen Creolen den 
Muth entflammten, die Widerstandskraft des Mutterlandes lähmten. Von 
Kaiser Alexander unterstützt, hatte König Ferdinand eine Flotte gebildet 
und um Cadiz ein Heer versammelt, das den Aufruhr der Amerikaner 
bändigen sollte. Als dies Heer am Neujahrstag 1820 zu meutern begann, 
da war entschieden, daß Spanien nicht mehr die Macht besaß seine 
Kolonien zur Unterwerfung zu zwingen. In dem Soldatenaufstande 
entlud sich nur der Unmuth einer arg verwahrlosten Truppe; als der 
Urheber der Bewegung, Oberst Riego, die Cortesverfassung von 1812 
ausrief, fand er anfangs im Heere selbst nur getheilte Zustimmung. Erst 
durch die rathlose Schwäche König Ferdinand's, der wie vom bösen 
Gewissen geschüttelt die Gegner gewähren ließ, errang die schwächliche
	        
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