Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Proceß der Königin Karoline. 147 
den beispiellosen Auftritten dieser „königlichen Bordellkomödie“. Denn 
es war ein Fürst des Deutschen Bundes, der also jede Scham verleugnete, 
und eine deutsche Fürstentochter, der solche Schmach bereitet wurde. Was 
war dieser braunschweigischen Prinzessin nicht Alles geboten worden, 
seit sie zuerst den Fuß an den Strand der ungastlichen Insel gesetzt 
hatte, ein unerzogenes junges Geschöpf, vorlaut, taktlos, launisch, und 
bei alledem doch ein ehrliches deutsches Naturkind, aufrecht und tapfer, 
unter Menschen menschlicher Liebe fähig, zu wahrhaftig für die Schein— 
heiligkeit dieses Hofes. Von dem Gatten gleich im ersten Augenblicke roh 
beleidigt, dann gleichmüthig verlassen, verrathen, mißhandelt; gewaltsam 
getrennt von ihrer Tochter Charlotte, die doch immer mit dem sicheren 
Gefühle des edlen Weibes nach der Mutter zurückverlangte; gemieden, 
verleumdet, mit Koth beworfen von der vornehmen Gesellschaft — so 
mußte sie leben viele Jahre lang. Als sie dann endlich den Staub dieses 
Landes von den Schuhen schüttelte, mit ähnlichen Empfindungen wie 
Lord Byron, da fand sie wie er eine boshafte Freude daran, den Abscheu 
der englischen Splitterrichter trotzig herauszufordern. Ungeduldig heischte 
sie vom Schicksal Ersatz für alle die vertrauerten Jahre und leerte auf 
ihren abenteuerlichen Wanderfahrten den Becher der Lust mit lechzenden 
Lippen bis zu seiner eklen Hefe. Zuweilen brach die unverwüstliche gute 
Natur wieder hervor, im Oriente spendete sie den Pestkranken unerschrocken 
Trost und Pflege; zuletzt verwilderte sie doch in dem wüsten Treiben. 
Nach der Thronbesteigung ihres Gemahls kehrte sie heim um ihr 
königliches Recht zu wahren; und nun stand sie vor den Unterthanen, 
die sie richten sollten, gewiß ein schuldiges Weib, nicht mehr würdig einer 
Krone, aber was wogen alle ihre Sünden gegen die Frevel dessen, der 
ihr Leben vergiftet? 
Es war doch nicht bloß der Haß gegen den verächtlichen Fürsten, 
sondern ein ehrenwerthes menschliches Gefühl, was die Massen der 
Hauptstadt so günstig für die Königin stimmte. Selbst der Wittwer der 
Prinzessin Charlotte, der kluge Prinz Leopold von Coburg hielt es für 
Ritterpflicht seine Schwiegermutter zu besuchen, wofür er denn freilich 
in Gentz's Briefen den Ehrentitel einer Haupt-Canaille erhielt. Tag für 
Tag zog das Volk in dichten Schaaren den Hyde-Park entlang, um der 
Königin zu huldigen und vor den Thoren des Oberhauses den Lord 
Castlereagh zu bedrohen, der gemächlich mit unbewegtem Gesicht mitten 
durch die Tobenden seines Weges schritt. Wüthende Libelle überschütteten 
den König mit Verwünschungen; ein Zerrbild zeigte ihn, wie er im 
Karren zum Schindanger hinausgefahren wurde, darunter die Inschrift: 
Katzenfressen. Drei Monate hindurch wurde aller Schmutz des Hofes vor 
den Augen Europas mit der umständlichen Gründlichkeit des englischen 
Gerichtsverfahrens zusammengekehrt, und sein Brodem stank zum Himmel. 
In Brougham's beredtem Munde gestaltete sich die Vertheidigung der 
10*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.