Radicale Stimmungen. 151
grimmigen Schrift über die spanische Verfassung, den Vernichtungskrieg
wider die Revolution. Sein Schweizer Landsmann Troxler antwortete
ihm, indem er Buchanan's und Milton's Schriften über das Recht des
Widerstandes in deutscher Bearbeitung herausgab (1821) und in einem
geharnischten Vorwort der Partei Haller's vorwarf, ihr Ultraismus ent—
springe nicht der Ueberzeugung, sondern dem Eigennutz und der Begehr—
lichkeit. Auch das war ein Zeichen der Zeit, daß diese Schrift „Fürst
und Volk“ sogleich in zwei starken Auflagen vergriffen wurde, obgleich der
abstrakte Tyrannenhaß jener beiden kühnen Monarchomachen doch einer
längst überwundenen Weltanschauung, dem kirchlich-politischen Radicalismus
des Jahrhunderts der Religionskriege angehörte. Und gleich als gälte es
die Lehren Buchanan's und Milton's feierlich zu rechtfertigen, verjagte der
clericale Tägliche Rath von Luzern sodann den Uebersetzer aus seinem
Lehramt. Schroff und starr traten fast überall die revolutionäre Doktrin
und das legitime Recht einander entgegen. Der Kampf mußte kommen,
und noch auf lange hinaus schien jede Versöhnung unmöglich.
Schon die ersten Nachrichten von den Unruhen im Südwesten er-
füllten alle Höfe der großen Allianz mit schwerer Sorge. „Der Libera-
lismus geht seine Wege“, schrieb Metternich nach der Ermordung des
Herzogs von Berry, „es regnet Mörder, da haben wir schon den vierten
Sand seit neun Monaten!“ Einige Wochen schmeichelte man sich noch
mit der Hoffnung, daß die Fluth der Revolution wieder ebben würde;
erst seit der König von Spanien sich der Cortesverfassung unterworfen
hatte, erkannte man den ganzen Umfang der Gefahr. Ueber die Ver-
werflichkeit dieses Grundgesetzes waren alle fünf Mächte einig. Bern-
storff und Ancillon sprachen das allgemeine Urtheil aus, als sie er-
klärten, König Ferdinand habe seine Schande unterschrieben, aus einer
solchen durch Aufruhr ertrotzten Verfassung könne nur eine schlechte
Republik mit einem Schattenkönige hervorgehen. Besonders verstimmt
zeigte sich König Friedrich Wilhelm selbst. Hardenberg wollte den Gesandten
Frhrn. v. Werther, einen klugen Diplomaten, der schon seit längerer Zeit
beurlaubt, in Madrid durch einen Geschäftsträger vertreten wurde, jetzt
sofort auf den wichtigen Posten zurücksenden; der König aber weigerte
sich entschieden?), offenbar weil er dieser revolutionären Regierung keine
Höflichkeit gönnte. «
Weder in Berlin noch in Wien wurde irgend bezweifelt, daß der
in Aachen erneuerte Bund wider die französischen Revolutionsparteien
mittelbar auch gegen andere Länder gelte und die großen Mächte mithin
7) Hardenberg's Tagebuch, 28. März, 1. April 1820.