Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Radicale Stimmungen. 151 
grimmigen Schrift über die spanische Verfassung, den Vernichtungskrieg 
wider die Revolution. Sein Schweizer Landsmann Troxler antwortete 
ihm, indem er Buchanan's und Milton's Schriften über das Recht des 
Widerstandes in deutscher Bearbeitung herausgab (1821) und in einem 
geharnischten Vorwort der Partei Haller's vorwarf, ihr Ultraismus ent— 
springe nicht der Ueberzeugung, sondern dem Eigennutz und der Begehr— 
lichkeit. Auch das war ein Zeichen der Zeit, daß diese Schrift „Fürst 
und Volk“ sogleich in zwei starken Auflagen vergriffen wurde, obgleich der 
abstrakte Tyrannenhaß jener beiden kühnen Monarchomachen doch einer 
längst überwundenen Weltanschauung, dem kirchlich-politischen Radicalismus 
des Jahrhunderts der Religionskriege angehörte. Und gleich als gälte es 
die Lehren Buchanan's und Milton's feierlich zu rechtfertigen, verjagte der 
clericale Tägliche Rath von Luzern sodann den Uebersetzer aus seinem 
Lehramt. Schroff und starr traten fast überall die revolutionäre Doktrin 
und das legitime Recht einander entgegen. Der Kampf mußte kommen, 
und noch auf lange hinaus schien jede Versöhnung unmöglich. 
  
Schon die ersten Nachrichten von den Unruhen im Südwesten er- 
füllten alle Höfe der großen Allianz mit schwerer Sorge. „Der Libera- 
lismus geht seine Wege“, schrieb Metternich nach der Ermordung des 
Herzogs von Berry, „es regnet Mörder, da haben wir schon den vierten 
Sand seit neun Monaten!“ Einige Wochen schmeichelte man sich noch 
mit der Hoffnung, daß die Fluth der Revolution wieder ebben würde; 
erst seit der König von Spanien sich der Cortesverfassung unterworfen 
hatte, erkannte man den ganzen Umfang der Gefahr. Ueber die Ver- 
werflichkeit dieses Grundgesetzes waren alle fünf Mächte einig. Bern- 
storff und Ancillon sprachen das allgemeine Urtheil aus, als sie er- 
klärten, König Ferdinand habe seine Schande unterschrieben, aus einer 
solchen durch Aufruhr ertrotzten Verfassung könne nur eine schlechte 
Republik mit einem Schattenkönige hervorgehen. Besonders verstimmt 
zeigte sich König Friedrich Wilhelm selbst. Hardenberg wollte den Gesandten 
Frhrn. v. Werther, einen klugen Diplomaten, der schon seit längerer Zeit 
beurlaubt, in Madrid durch einen Geschäftsträger vertreten wurde, jetzt 
sofort auf den wichtigen Posten zurücksenden; der König aber weigerte 
sich entschieden?), offenbar weil er dieser revolutionären Regierung keine 
Höflichkeit gönnte. « 
Weder in Berlin noch in Wien wurde irgend bezweifelt, daß der 
in Aachen erneuerte Bund wider die französischen Revolutionsparteien 
mittelbar auch gegen andere Länder gelte und die großen Mächte mithin 
  
7) Hardenberg's Tagebuch, 28. März, 1. April 1820.
	        
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