Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

152 III. 3. Troppau und Laibach. 
berechtigt seien, wie vor fünf Jahren in Frankreich, so jetzt in Spanien 
das Haus Bourbon zu beschützen. Aber war es rathsam, war es auch 
nur möglich, dies vermeinte Recht sogleich zu gebrauchen? Von allen 
Höfen wagte allein der Petersburger diese Frage rundweg zu bejahen. 
Da Czar Alexander das Madrider Cabinet, freilich mit geringem Erfolg, 
beharrlich bevormundet und die Versammlung der Truppen um Cadiz 
selber mit veranlaßt hatte, so empfand er den Aufruhr des spanischen 
Heeres wie einen Schlag ins eigene Angesicht. Schon am 3. März, noch 
bevor der Sieg der Revolution entschieden war, bat er die Mächte, daß ihre 
Gesandten zu Paris wegen der spanischen Angelegenheiten in Berathung 
treten möchten, und nachdem er sie sodann noch mehrmals vertraulich zu 
gemeinsamen Schritten ermahnt hatte, rückte er endlich am 2. Mai mit 
dem Vorschlage heraus: die verbündeten Höfe sollten von den spanischen 
Cortes die förmliche Verleugnung der Revolution und die Einführung einer 
gemäßigten Verfassung fordern. 
Auf einen solchen Antrag, der den reizbaren Nationalstolz der Spanier 
schwer verletzen mußte, konnten die deutschen Großmächte sich nicht ein- 
lassen. Selbst Napoleon hatte in Spanien die Grenzen seiner Macht 
gefunden; jetzt vollends schien ein Krieg wider die Halbinsel ganz aus- 
sichtslos, da König Ludwig XVIII. inmitten der Wirren seiner heimischen 
Parteikämpfe weder selber eine bewaffnete Einmischung wagen noch etwa 
deutschen oder russischen Truppen den Durchmarsch gewähren konnte. Und 
hätte auch das Tuileriencabinet sich zu einem so tollkühnen Entschlusse 
aufgerafft, so durfte ihn doch die englische Handelspolitik, nach ihren alten 
Traditionen, nimmermehr erlauben; die Tory-Regierung war im Parla- 
mente unrettbar verloren, sobald sie einem russisch-französischen Kreuzzuge 
gegen Englands alten Bundesgenossen zustimmte. Lord Castlereagh fühlte 
dies sofort und trat den Einmischungsgelüsten des Czaren von Haus aus 
schroff entgegen. Die wahren Grundsätze der großen Allianz — so erklärte 
er seinem Monarchen am 30. April — dürfe man nicht dergestalt ver- 
allgemeinern, daß sie zu einer Verlegenheit für eine constitutionelle 
Regierung würden. Zugleich erinnerte Wellington die Verbündeten an 
seine eigenen spanischen Erfahrungen und warnte sie vor dem Fremden- 
hasse dieses unnahbaren Volks. Der alte Söldnerführer konnte sich's dabei 
nicht versagen, seinen stillen Groll gegen das preußische Volksheer wieder 
einmal durch einen Vergleich, der wie die Faust auf das Auge paßte, zu 
bekunden; er nannte in einem Briefe an Richelieu die Meuterei der 
spanischen Truppen ein schreckliches Beispiel für die deutschen Staaten, 
welche ähnlich gebildete Heere besäßen! 
Angesichts dieser Haltung der Westmächte mußten auch die beiden 
deutschen Höfe den Gedanken einer europäischen Intervention von sich 
weisen, obwohl Hardenberg gegen eine gemeinsame Berathung der Pariser 
Gesandten nichts einzuwenden fand. Beide betrachteten Spanien für
	        
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