Der Philhellenismus. 195
Sieger, und wenn sie in offener Feldschlacht unterlagen, so starben ihre
„heiligen Schaaren“ doch rühmlich auf dem Schilde; über den Türken aber
war der Stab gebrochen, seit sie die blühende Insel Chios nach einem
scheußlichen Blutbad in eine Einöde verwandelt hatten. Auch eine statt—
liche Zahl deutscher Kriegsgenossen eilte den Fahnen der Hellenen zu, leider
eine seltsam gemischte Gesellschaft: neben dem napoleonischen Landsknecht
General Normann aus Württemberg, demselben, der einst bei Kitzen die
Lützower Freischaar niedergehauen hatte, kamen hochherzige Enthusiasten
wie Franz Lieber, der, mattgehetzt von den deutschen Demagogenjägern, das
Ideal der Freiheit nun im Osten suchte, und andere jugendliche Schwärmer,
die nur ihre Kraft stählen wollten für den dereinstigen Freiheitskampf
daheim. In der vornehmen Welt war Kronprinz Ludwig von Baiern
neben dem König von Württemberg das anerkannte Haupt der Griechen—
freunde; er betrachtete die griechische Sache fast wie seine eigene, unter—
stützte sie mit fürstlicher Freigebigkeit und zwang auch seine Muse zu
wiederholten philhellenischen Kraftleistungen:
Du der edler'n Menschheit treue Wiege,
Hochbegabte Hellas, siege, siege!
Die liberale und die ästhetische Begeisterung zugleich führten diesen
Prinzen in das griechische Lager. Aber auch hochconservative Männer
wie der Convertit Beckedorff in Berlin verweigerten der Hofburg die
Heeresfolge zu dem Kampfe des Halbmonds wider das Kreuz. Sogar der
sanftmüthige Tiedge, der erbauliche und beschauliche Poet des kursächsischen
Stilllebens, besang den Kampf der Griechen wider die Barbarei. Marwitz
schalt mit gewohntem Freimuth auf den gottlosen Oesterreichischen Beobachter,
der so gar nicht begreifen wolle, daß in diesem Kriege wider eine heimath—
lose Horde die Griechen die Macht des Beharrens, der Erhaltung ver—
träten; und nicht lange, so erzählte man unter der Hand, daß sich in
den griechischen Sammelkästen namhafte Beiträge der Könige Friedrich
Wilhelm und Max Joseph befänden: die beiden wohlmeinenden Fürsten
empfanden doch mit stiller Beschämung, wie schwer sich die hadernde
Christenheit seit Jahrhunderten an den Rajahvölkern versündigt hatte.
Auch Niebuhr, der über die romanischen Revolutionen so schonungslos
aburtheilte, wendete diesem Kampfe den ganzen Enthusiasmus seines
großen Herzens zu, er hoffte den Tag noch zu schauen, der die letzte
Scholle Europas der freien abendländischen Gesittung zurückgeben sollte.
Bei aller phantastischen Leichtgläubigkeit, bei allen gelehrten Schrullen,
die mit unterliefen, entsprang die philhellenische Begeisterung doch nicht
bloß aus unklaren Empfindungen, sondern aus einem gesunden politischen
Instinkt. Die Deutschen ahnten dunkel, daß diese Erhebung des Ostens
den unerträglichen Druck, der auf dem Welttheil lastete, dereinst mildern
würde, sie waren nicht russisch gesinnt, sie hofften vielmehr durch die Be—
freiung der orientalischen Christen den geheimen Eroberungsplänen Ruß—
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