200 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
unermeßlich verstärkt. Die Curie war endlich wieder in der Lage Farbe zu
bekennen und offen auszusprechen was sie stets gedacht: daß sie nicht die
Gleichberechtigung der Bekenntnisse, sondern die Herrschaft der allein—
seligmachenden Kirche erstrebte. Selbst dem Imperator wagte Cardinal
Consalvi kurzweg zu sagen, daß die Kirche nie den Grundsatz der Religions—
freiheit anerkennen werde, und seit der Herstellung des Jesuitenordens
lag der tiefe principielle Gegensatz, welcher die römische Theokratie von
dem modernen Staate trennte, klar zu Tage. Daran vermochte weder
die Herzensgüte des kindlich frommen Papstes etwas zu ändern, noch die
diplomatische Mäßigung seines klugen Cardinal-Staatssecretärs, noch die
aufrichtige Verehrung, welche sie Beide für den König von Preußen hegten.
Der diplomatische Verkehr zwischen der Curie und dem Berliner Hofe
hatte sich seit W. Humboldt's römischer Gesandtschaft sehr freundlich
gestaltet. Beide Höfe fühlten sich als Schicksalsgenossen, da auf ihnen die
Hand Napoleon's am schwersten gelastet hatte, und Papst Pius vergaß es
nicht, wie eifrig Hardenberg auf dem Wiener Congresse für die Wieder—
herstellung des Kirchenstaates eingetreten war. Trotzdem beurtheilte König
Friedrich Wilhelm das Verhältniß seiner Krone zum römischen Stuhle
ganz nüchtern und sagte zu Niebuhr, als dieser im Jahre 1816 nach Rom
abging: den Verzicht auf einen Grundsatz dürfe man dem Papste nicht
zumuthen. Aber auch er wollte nicht verzichten auf die territorialistischen
Grundsätze des Allgemeinen Landrechts, die ihm sein Lehrer Suarez schon
in seiner Jugend eingeprägt hatte. Das Landrecht kannte weder den Papst
noch die römisch-katholische Kirche, sondern nur die in Preußen bestehenden
„Kirchengesellschaften“", denen der Staat nach seinem Ermessen ihre Rechts-
sphäre anwies. Diese Vollgewalt seiner Krone hielt der König fest, nur
verstand er sie in einem anderen Sinne, als sein Großoheim: er meinte
sich als christlicher Monarch verpflichtet, den Confessionen nicht bloß
Duldung zu gewähren, sondern auch das kirchliche Leben unmittelbar
zu fördern. Der große König hatte bei der Besetzung seiner Landes-
bisthümer stets solche Prälaten bevorzugt, welche dem Staate ungefährlich
schienen, ohne nach der Lauterkeit ihres Wandels und ihres Glaubens
viel zu fragen. Friedrich Wilhelm wünschte fromme Kirchenfürsten, die
den christlichen Sinn wieder beleben sollten. Er dachte seine neuen
Landesbischöfe mit königlicher Freigebigkeit auszustatten, so daß sie den
Pflichten christlicher Barmherzigkeit vollauf genügen könnten, und ließ schon
zur Zeit des Aachener Congresses dem ehrwürdigen Sailer den kölnischen
Erzbischofsstuhl antragen — leider vergeblich, da der greise Prälat sich
von seiner bairischen Heimath nicht trennen mochte.
Wie der König selbst, so begannen auch seine Räthe zu fühlen, daß
die alte fridericianische Kirchenpolitik in der verwandelten Zeit doch einiger
Milderung bedurfte. Minister Schuckmann freilich und Geh. Rath Raumer
wollten von den gestrengen Grundsätzen des Landrechts nicht lassen und