Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Verhandlungen der oberrheinischen Staaten. 223 
Anspruch nahm — das Placet, die Ernennung der Bischöfe und viele 
andere sehr weit gefaßte Befugnisse der Kirchenhoheit — in einer Decla— 
ration zusammen und schickte eine gemeinsame Gesandtschaft nach Rom 
um über die Ansprüche nicht mit dem heiligen Stuhle zu verhandeln, 
sondern nur seine Meinung zu vernehmen. Man gab sich, der harmlosen 
Hoffnung hin, der Papst werde nicht widersprechen; wagte er es dennoch, 
so waren die verbündeten Staaten entschlossen, auf eigene Faust, mit 
Hilfe ihrer noch vorhandenen Bisthumsverweser die neuen Diöcesen ein— 
zurichten. Und doch zählte die Errichtung neuer Bisthümer zu den alten 
unbestrittenen Rechten des päpstlichen Primats, welche kein Prälat jemals 
antasten konnte. Die liberalen Zeitungen des Südwestens feierten schon 
im Voraus den Triumph der aufgeklärten Staaten über den römischen 
Stuhl, und einer der Leiter der Conferenz, Koch, schrieb hoffnungsvoll: 
so werde denn endlich eine Kirchenverfassung entstehen, „die mit den Staats- 
constitutionen und den Wünschen und Bedürfnissen der Zeit, welche aus 
dem Zwielichte der Morgendämmerung in das helle Tageslicht hinein- 
scheint, übereinstimmt"; von einer Herabminderung der bescheidenen An- 
sprüche der Staatsgewalt könne natürlich gar nicht die Rede sein.) 
Im März 1819 traf die Gesandtschaft in Rom ein; sie bestand aus 
dem Staatsrath v. Schmitz-Grollenburg, einem ehemaligen Domherrn, 
der sich nachher im württembergischen Staatsdienste als strenger Josephiner 
gezeigt, und dem Freiherrn v. Türckheim, dem Vater des conservativen 
badischen Kammerredners. Beim Empfange beugte der Protestant Türck- 
heim die Kniee vor dem Papste, während der Katholik Schmitz, um die 
Souveränität seines Königs zu wahren, aufrecht stehen blieb. Der 
Erfolg war, wie Niebuhr den Gesandten voraussagte. Selbst der sanft- 
müthige Pius VII. fühlte sich beleidigt, als diese fünf kleinen Höfe ihre 
Verhandlungen sogleich mit der Ueberreichung eines Ultimatums eröff- 
neten; sein Staatssecretär fragte, ob man den Papst für einen Türken 
halte, und sprach offen aus, nicht die protestantischen Höfe seien feind- 
lich gesinnt, sondern ihre katholischen Rathgeber. Am 10. August ant- 
wortete Consalvi mit einer langen Esposizione, welche noch einmal bündig 
bewies, daß der moderne Staat, wenn er sich über den Umfang seiner 
Hoheitsrechte mit der Curie verständigen will, entweder nichts ausrichtet 
oder seine Souveränität aufgeben muß. Die Denkschrift enthielt, in etwas 
milderer Fassung, dieselben Grundsätze schrankenloser Kirchenherrschaft, 
welche Consalvi bereits dem hannöverschen Hofe entgegengehalten hatte. 
Trotz dieser schroffen Abweisung verbrachten die Gesandten noch einige 
Zeit in Rom mit unfruchtbaren Verhandlungen. Einen Ausweg ließ 
ihnen der Papst noch offen; er erklärte sich bereit, die Diöcesen der neuen 
oberrheinischen Kirchenprovinz festzusetzen. 
  
*) Koch an Berstett, 15. Febr. 1819.
	        
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