Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

300 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
Auch außerhalb des Bundestages entfaltete der Württemberger eine 
rastlose Betriebsamkeit. Die Frankfurter Conferenz der Staaten der 
oberrheinischen Kirchenprovinz tagte noch immer von Zeit zu Zeit unter 
seiner Leitung, und obwohl die Verhandlungen jetzt nur noch einen sehr 
unschuldigen Gegenstand, die Einrichtung einer kleinen Erzdiöcese betrafen, 
so hoffte Wangenheim doch zuversichtlich, aus diesen Conferenzen werde 
ein neues aufgeklärtes nationales Kirchenrecht, zunächst eine Generalsynode 
für ganz Deutschland hervorgehen. In überschwänglichen Reden feierte 
er die Erfolge dieser rein deutschen Höfe, die das „Episcopalsystem in 
seiner ganzen Fülle und Würde hergestellt“ hätten. „So ist eine Leuchte 
aufgesteckt worden," rief er entzückt, „welche sich durch die giftigen Dünste, 
die sich hie und da gespenstisch zu Schattenbildern aufthürmen, schwerlich 
verdunkeln lassen wird."“ 
In Wahrheit hatten die oberrheinischen Staaten außer der Fest- 
stellung ihrer neuen Diöcesangrenzen bisher noch gar nichts erreicht, 
nicht einmal eine bündige Vorschrift über die Bischofswahlen; und als sie 
jetzt versuchten ihren künftigen Landesbischöfen eine streng bureaukratische 
Kirchenpragmatik napoleonischen Stils aufzuerlegen, da begegneten sie dem 
entschiedenen Widerspruche des Vaticans. Auch die Candidaten, welche 
sie der Curie, nach Vorschlägen ihrer Landesgeistlichkeit, für die erste Be- 
setzung der neuen Bischofssitze nannten, mißfielen dem Papste durchweg. 
Er antwortete durch eine Gegenliste von vierzehn Namen — der junge 
Näß, der Herausgeber des Mainzer Katholiken war auch mit darunter 
— aber diese vierzehn heiligen Nothhelfer, wie man sie in Karlsruhe 
nannte, schienen wieder den Cabinetten unerträglich. In Baden hatten 
alle Decanate des Landes ihren Bisthumsverweser Wessenberg als den 
Würdigsten für das erzbischöfliche Amt bezeichnet, die Regierung aber 
fürchtete sich vor ihm und versuchte umsonst ihn zu freiwilligem Verzicht 
zu bewegen; Blittersdorff rieth sogar seinem Gönner Berstett, man möge 
den unbequemen Mann in Wien als einen ultraliberalen verdächtigen, 
damit er nicht etwa in Rottenburg, wo er ebenfalls im Vorschlage war, 
zum Bischof ernannt würde.“) Die Einrichtung der neuen Kirchenprovinz 
gerieth einige Jahre lang ganz ins Stocken. Erst lange nach Wangen- 
heim's Sturz kamen die Dinge wieder in Fluß, als Berstett (1824), 
durch Metternich unterstützt, eine geheime Verhandlung in Rom begann. 
Da endlich, nach langen und peinlichen Unterhandlungen, erließ der Papst 
am 11. April die Bulle Ad dominici gregis custodiam, zur Ergänzung 
der Oberrheinischen Circumscriptionsbulle. Sie wurde von den Regie- 
rungen nur mit Vorbehalt veröffentlicht, weil sie über die Priesterseminare 
und die bischöfliche Gerichtsbarkeit einige ganz unannehmbare Vorschriften 
enthielt. Doch mindestens die Frage der Bischofswahlen kam jetzt zum 
  
*) Blittersdorff an Berstett, 27. April 1822.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.