302 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
ungetrübt. Der blühende Zustand der theologischen Facultäten in Tübingen
und Freiburg bewies, wie aufrichtig diese kleinen Kronen, trotz ihrer bureau-
kratischen Aengstlichkeit, das Wohl der Kirche förderten; ihre Beamten
verstanden gleich den bairischen, besser als die Preußen, mit den Geist-
lichen zu leben, und im Clerus war das duldsame alte Geschlecht noch
in der Mehrzahl. —
Ungleich wichtiger als diese kirchenpolitischen Sonderbundsversuche
wurde die große Handelsconferenz der süddeutschen und einiger mittel-
deutschen Kleinstaaten, welche, den Wiener Verabredungen gemäß, am
13. Sept. 1820 in Darmstadt zusammentrat. Auch hier war Wangen-
heim die Unruhe in der Uhr. Unermüdlich kam er von Frankfurt herüber-
geritten, immer zur Vermittlung bereit, gleich befreundet mit dem Schutz-
zöllner List und dem Freihändler Nebenius; denn aus diesem Handelstage
mußte unfehlbar der politische Bund des reinen Deutschlands hervor-
gehen. In der That blieben die Darmstädter Verhandlungen nicht ganz
unfruchtbar, obgleich sich Pläne und Gegenpläne noch rastlos wie die
Blasen im brodelnden Wasserkessel über einander drängten. Sie dienten
als ein Läuterungsproceß, der die unbrauchbaren, traumhaften Gedanken
aus der deutschen Handelspolitik ausschied. Sie boten den Theilnehmern
wie dem aufmerksam zuschauenden Berliner Hofe die Gelegenheit, die
wirthschaftlichen Interessen der Bundesstaaten kennen zu lernen, die Be-
dingungen eines Handelsvereins ernstlich zu erwägen. Aber sie lehrten
auch durch ihr wiederholtes Scheitern, daß ein Zollverein ohne Preußen
unmöglich war. Wie Wangenheim's nationalkirchliche Träume mit der
Errichtung eines kleinen Erzbisthums endigten, so konnte auch von einem
binnenländischen Wirthschaftsgebiete, dem die Küste fehlte, niemals eine
lebensfähige nationale Handelspolitik ausgehen.
Kein Wunder freilich, daß die mißhandelte Nation den ersten Versuch
zur Beseitigung der Binnenmauthen mit Jubel aufnahm. Zahlreiche Dank-
adressen belohnten den hochherzigen Entschluß der Höfe. Badische Land-
wirthe bezeugten schon im Voraus dem Minister Berstett: durch die Darm-
städter Conferenzen sei „der Grund gelegt zu einem glorreichen, einem
wahrhaften Nationalinstitute“. Sogar jener kluge E. W. Arnoldi in Gotha,
der zuerst unter den deutschen Geschäftsmännern die nationale Bedeutung
des preußischen Zollgesetzes erkannt hatte, ließ sich jetzt durch die Zeit-
strömung fortreißen und bat seinen Herzog um Anschließung an die süd-
deutschen Staaten, weil Gotha den Wettbewerb der überlegenen preußischen
Fabriken nicht ertragen könne. Die Wünsche und Erwartungen des
Publikums gingen freilich hergebrachtermaßen nach allen Himmelsrichtungen
auseinander. Der badische Handelsstand verlangte den unbedingten Frei-
handel: mehr als 15 Kreuzer Zoll könne der Centner Kolonialwaaren
schlechterdings nicht ertragen. Andere ergingen sich in den üblichen Aus-
fällen gegen „jene stolzen Ausländer“. In der bairischen Kammer beantragte