Die Immediat-Untersuchungscommission. 435
sehr nachdrücklich: eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei unzweifel-
haft vorhanden.“)
Ebenso erfolglos blieben anfangs die wiederholten Anträge des Ber-
liner Kammergerichts auf Einleitung gerichtlichen Verfahrens. Auch diesen
Gegnern begegnete Kamptz mit heftigen Schmähungen: ob sie etwa die
Rolle des französischen Parlaments spielen wollten? Auch sie erhielten einen
Verweis vom Könige: das Kammergericht verkenne seinen Standpunkt,
wenn es jetzt noch seinen Antrag wiederhole, nachdem die Polizeibehörde
amtlich versichert habe, die Untersuchung sei noch nicht reif für das Ein-
schreiten der Gerichte.*) Nach solchen Erklärungen des Staatsoberhauptes
durften die Behörden ihren Einspruch nicht mehr aufrecht halten. Selbst
der greise Kircheisen, der Freund und Gesinnungsgenosse von Suarez, fügte
sich. Er hatte einst den König, als er noch Kronprinz war, in freimüthiger
Anrede vor der Verwerflichkeit der Cabinetsjustiz gewarnt und sein Lebe-
lang die Unabhängigkeit der Gerichte tapfer vertheidigt; doch als er jetzt
die massenhaften Polizeiberichte durchmusterte, die dem Ministerium auf
königlichen Befehl mitgetheilt wurden, da glaubte auch er: der Staat be-
finde sich in einem Nothstande, und der Monarch sei berechtigt, von den
Machtbefugnissen seiner landesherrlichen Gewalt Gebrauch zu machen.
Indeß hatten die so ungnädig ausgenommenen Mahnungen den König
doch zum Nachdenken gebracht. Am 1. Oktober wurde die Commission
umgestaltet und förmlich mit den Befugnissen eines inquirirenden Criminal-
gerichts ausgestattet; sie bestand fortan aus fünf Mitgliedern des Kammer-
gerichts und zwei Verwaltungsbeamten. In dieser neuen Gestalt entsprach
sie dem Gesetze, da der König noch das gefährliche Recht besaß, für besondere
Fälle außerordentliche Gerichte einzusetzen. Zu den Richtern zählten der
ehrwürdige Präsident v. Trützschler und Kammergerichtsrath Hoffmann, der
romantische Humorist, dem der Gespensterspuk dieser Demagogenjagd so
spaßhaft schauerlich vorkam, daß er sich nicht enthalten konnte, das Treiben,
an dem er selber theilnahm, in einer Episode seiner Novelle „Meister
Floh“ zu verspotten. Die oberste Leitung der gesammten Untersuchungen
übernahm eine Ministerialcommission: Hardenberg, Kircheisen, Schuckmann,
Wittgenstein, Kamptz, Oberpräsident Bülow. Gedeckt durch den Kanzler
sowie durch seine alten Gönner Schuckmann und Wittgenstein behielt
Kamptz also mit seinen Helfershelfern ziemlich freien Spielraum. Da von
der Mainzer Bundescommission wie von der Berliner Polizei beständig neue
Anzeigen einliefen, so konnte er das geheime Verfahren durch unerwartete
Kreuz= und Querfragen nach Belieben verlängern. Persönlich begegnete der
*) Eingaben des Staatsministeriums an den König, 16. Juli, S. Sept.; Kamptz's
Berichte, 24. Aug., 14. Sept.; Cabinetsordres an das Staatsministerium, 23. Juli,
16. Sept. 1819.
*“) Eingaben des Kammergerichts an Min. Kircheisen, 16., 31. Juli; Kamptz's Be-
richte, 6., 9. Aug.; Cabinetsordre an Kircheisen, 21. Aug. 1819.
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