Verfolgungen gegen Arndt, Görres u. A. 439
einer Redewendung, die in seinen Schriften fortan immer wiederkehrte,
„begegnet man nirgends jenen Schaaren stehender Müßiggänger, die im
Frieden den Wohlstand des Volkes fressen, damit sie ihn im Kriege nicht
zu vertheidigen haben.“ Der Unbbill, die ihm selber widerfahren, gab er
eine Färbung, als ob er bloß um des rheinisch-französischen Rechtes willen
gelitten hätte, und schloß drohend: „Nun, wie es auch kommen möge, muß
ihm sein Recht werden, sobald der Provinz das ihrige geworden.“
Sonst hatten nur noch wenige angesehene Männer unter der Dema-
gogenverfolgung zu leiden. Dem wackeren Reimer war schlechterdings
nichts anzuhaben, trotz der sorgsamen Durchstöberung aller seiner Papiere.
Von den Breslauer Turngenossen kam Passow mit wenigen Wochen leichter
Haft davon, da ihm nichts Anderes zur Last fiel, als ein paar starke Worte
in seinem „Turnziel“; Karl v. Raumer ließ sich, um den schlesischen
Händeln zu entrinnen, selber nach Halle versetzen, sein Freund Harnisch
blieb, nachdem er einige unangenehme Amtsschreiben empfangen, unbe-
lästigt am Lehrerseminar. Die verhafteten Studenten aber hielten fast
alle treu zusammen. Man fand bei dem jungen Philosophen v. Hennig
eine Landkarte von Deutschland, welche dem preußischen Staate schon un-
gefähr die Grenzen vom Jahre 1866 bestimmte, und entdeckte auch den ra-
dicalen Reichsverfassungsplan der Unbedingten. Manche der aufgefangenen
Briefe verkündeten die fanatischen Lehren Karl Follen's: daß jeder Staat,
der in seiner Freiheit bedrängt sei, sich im Zustande berechtigter Revolu-
tion befinde, daß dann der Krieg der Individuen beginne und jeder Bürger
die Volksverräther zu strafen berechtigt sei, wenn der Staat sie nicht be-
strafe. Noch häufiger fanden sich allerhand drohende Redensarten über
den nahen Tag der That, der Rache. Doch wer mochte herausfinden, wo
hier die jugendliche Prahlerei aufhörte und der erste Vorsatz begann?
Selbst die Demagogenrichter mußten sich sagen, daß der Weg von der
Feder zum Dolche in Deutschland nicht kurz ist. Von den nächsten Freunden
der beiden Mörder hatten sich einige bereits ins Ausland geflüchtet, die
anderen schwiegen unverbrüchlich. Dann entfloh auch Mühlenfels, der,
sicherlich mit Unrecht, für besonders gefährlich galt, weil seine Briefe von
burschikosen Kraftworten überflossen; er entkam auf einem Fischerboote nach
Schweden und konnte erst nach vielen Jahren die Verzeihung des Königs
erlangen. —
Die große Untersuchung drohte schon im Sande zu verlaufen; da
ward im Jahre 1823, zu Kamptz's Genugthuung, ein neuer Geheimbund
entdeckt, der einer Verschwörung mindestens ähnlich sah. Wie war es auch
möglich, daß die Karlsbader Beschlüsse bei deutschen Studenten unbedingten
Gehorsam hätten finden sollen? Die Burschenschaft hatte sich überall auf-
gelöst, die Breslauer unter feierlichem Absingen des Liedes „unsern Bund
trennt nur der Tod“; doch überall schaarte sie sich sogleich von Neuem
zusammen, hier unter dem alten Namen, dort als Allgemeinheit oder in