Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

44 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
dem Strome: 53 Oxhoft Wein, 4 Oxhoft Rum, 98 Säcke und 1 Faß 
Kaffee, 13 Säcke Pigment und Pfeffer, insgesammt an 1000 Centner. 
Mehr denn eine halbe Million Thaler im Jahre wurden durch den an- 
haltischen Schleichhandel den preußischen Kassen vorenthalten; der Zoll- 
ertrag in den Provinzen Brandenburg und Sachsen stieg nachher, als 
Anhalt endlich sich dem preußischen System unterworfen hatte, bald von 
3,135 auf 4,128 Millionen. 
Der Besitz einer souveränen Krone ohne Macht entsittlicht auf die 
Dauer ihren Träger. Wie gründlich mußte das Rechtsgefühl der kleinen 
Höfe, seit sie keinen Richter mehr über sich anerkannten, verwüstet sein, 
wenn dies rechtschaffene askanische Haus, das von jeher einer wohlver- 
dienten allgemeinen Achtung genoß und so viele seiner tapferen Söhne 
in die Reihen des preußischen Heeres gesendet hatte, sich jetzt unbedenklich 
erdreistete, die Gesetzgebung seines alten treuen Beschützers durch groben 
Unfug zu untergraben! Ein Unglück, daß der ehrwürdige Senior des 
anhaltischen Gesammthauses, der seinem Ländchen unvergeßliche Leopold 
Friedrich Franz von Dessau vor Kurzem gestorben war; er würde den 
zweifachen Vertragsbruch schwerlich geduldet haben, denn Anhalt hatte sich 
auf dem Wiener Congresse zur Unterdrückung des Schleichhandels ver- 
pflichtet und nachher in Dresden feierlich eine Verständigung mit Preußen 
versprochen. 
Um dieser letzteren Verpflichtung scheinbar zu genügen, sendete Herzog 
Ferdinand endlich im Januar 1822 seinen Hofmarschall Sternegg nach 
Berlin, befahl ihm allein mit Hardenberg zu verhandeln; mit Bernstorff 
zu sprechen, sei unter der Würde des Kötheners. Der Staatskanzler aber 
zwang den Abgesandten kurzweg, sich an das Auswärtige Amt zu wenden, 
und dort stellte sich heraus, daß Sternegg durchaus keine Anerbietungen 
wegen des Zollanschlusses zu bringen, sondern lediglich eine Entschädi- 
gungsforderung zu überreichen hatte. Der Schaden Köthens betrug, nach 
dem billigen Maßstabe der Kopfzahl angeschlagen, etwa 40,000 Thaler 
für drei Jahre. Der Herzog berechnete das Zehnfache und zeigte sich 
hoch erstaunt, da Preußen den Köthener Schmuggel in Gegenrechnung 
stellte. Nach langen, gereizten Erörterungen rückten die Herzoge schließ- 
lich mit dem Vorschlage heraus: Preußen möge dem enclavirten Anhalt 
durch einen Gebiets-Austausch auf ewige Zeiten freien Verkehr mit Sachsen 
verschaffen, dann seien die drei Höfe bereit, sich versuchsweise auf einige 
Jahre dem preußischen Zollsysteme anzuschließen. Sofort wies Bernstorff 
die „unangemessene“ Zumuthung scharf zurück, der Unterhändler mußte 
abziehen, und Anhalt blieb mit preußischen Zolllinien umgeben.) Aber 
*) Bernstorff, Ministerialschreiben an die anhaltischen Regierungen, 18. Febr. 1822. 
Berichte des badischen Geschäftsträgers v. Meyern, Berlin 5., 19. Januar, 19. Februar, 
18. Mai, 22. Okt. 1822.
	        
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