60 III. 1. Die Wiener Conferenzen.
Thätigkeit endlich Ordnung zu schaffen, so daß der Kurs der Staats-
papiere in wenigen Jahren um mehr als 30 Procent stieg. Die deutsche
Politik des Münchener Hofes wurde durch Rechberg und Zentner bestimmt,
und sie standen Beide, Jeder auf seine Weise, treu zu den Großmächten.
Auf ihre Veranlassung") brachte die Augsburger Allgemeine Zeitung eine
Kritik des Manuscripts, welche alle Sonderbundsgedanken mit bitterem
Spotte abfertigte. —
Mittlerweile trat auch der letzte der süddeutschen Staaten, der bisher
noch an der unbeschränkten Monarchie festgehalten, zu den Formen des
constitutionellen Staates über. Pünktlich wie er es verheißen, verlieh Groß-
herzog Ludwig von Hessen durch das Edikt vom 18. März 1820 seinem
Lande eine Verfassung; er hoffte durch diese behutsame Gewährung, wie
er den großen Mächten sagen ließ, allen Erwartungen der Wiener Con-
ferenzen zu entsprechen, seine Zusage zu erfüllen und zugleich „die Kraft
seiner Regierung zu sichern“. *) Sein vertrauter Rath, der verdiente
Strafrechtslehrer Grolmann hatte erst vor Kurzem sein akademisches
Amt in Gießen schweren Herzens mit dem Ministersessel vertauscht, weil
er sich verpflichtet hielt der drohenden Anarchie entgegenzuwirken; eine
milde versöhnliche Natur, mehr Gelehrter als Staatsmann, meinte Grol-
mann den Landständen „Alles gewährt zu haben, was ihnen ohne offen-
bare Gefahr einer Republikanisirung gewährt werden könne".) Aber
diesmal hatte sich der ehrwürdige, in den Anschauungen eines wohl-
wollenden Absolutismus ergraute Fürst über die Stimmung seines Landes
gründlich getäuscht. Während der langen Zeit des Wartens war das
Volk durch zahlreiche Petitionen und Versammlungen aufgeregt worden;
in den mediatisirten Herrschaften des Odenwaldes hatten sich die hart
belasteten Bauern den Truppen bei der Eintreibung der Steuern schon
thätlich widersetzt. Und nun brachte die ersehnte Verfassung, die aller
Noth ein Ziel setzen sollte, nicht viel mehr als einige Vorschriften über
den künftigen Landtag. Die gemüthliche patriarchalische Sprache des
Edikts verfehlte ihren Zweck, da der Inhalt gar so dürftig war. Die
Rechte der Landstände waren sehr eng bemessen und das Wahlrecht der-
maßen beschränkt, daß sich im ganzen Staate außer den höheren Staats-
beamten nur 985 Wählbare fanden. Zu allem Unheil erschien dies
Grundgesetz in dem nämlichen Augenblicke, da die soeben wieder aus dem
Grabe steigende spanische Cortesverfassung in den deutschen Zeitungen
veröffentlicht wurde und das Entzücken der liberalen Welt erregte. „Eine
Verfassung mit zwei Kammern ist gar keine“ — so hieß es jetzt häufig
in den süddeutschen Wirthshäusern, wenn auf das Wohl der Cortes und
*) Zastrow's Bericht, 15. Nov. 1820. **) Note des großh. hess. Geschäfts-
trägers Frhr. v. Senden an Ancillon, 29. März 1820.
***) Grolmann an Graf Solms-Laubach, 25. März 1820.