Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Neuer Congreß in Cassel. 677 
einen Sonderbund der Küstenstaaten. In lehrhafter Denkschrift bewies 
Smidt von Bremen, daß die Vereinsstaaten theils in horizontaler, theils 
in verticaler Richtung zu den großen deutschen Handelsstraßen lägen; sie 
möchten also zwei oder drei Gruppen bilden. Die freie Stadt Bremen, 
versteht sich, müsse unabhängig bleiben, denn sie „qualificirt sich von selbst 
als eine Ausnahme von der Regel des Handelsvereins“. Indeß begann 
dem gewiegten Handelspolitiker doch unheimlich zu werden; er rieth drin- 
gend zu Verhandlungen mit den beiden anderen Zollvereinen. 
Unverhohlen sprach sich die ängstliche Unlust der thüringischen Staaten 
ans. Reuß beantragte sofort Verhandlungen mit Preußen zu eröffnen; 
Meiningen und Gotha drohten, ihres eigenen Weges zu gehen, wenn 
der Verein nicht mit Preußen sich verständige. Geschäftig trugen die 
Bevollmächtigten der kleinen Thüringer dem preußischen Gesandten Hänlein 
die Geheimnisse des Vereins zu. Doch die größeren Staaten Hannover, 
Sachsen, Hessen, Weimar blieben hartnäckig. Die rastlosen Treiber 
Carlowitz, Grote, Conta brachten endlich am 11. Okt. 1829 einen neuen 
Bundesvertrag zu Stande. Die Verpflichtung, einseitig keinem auswär- 
tigen Zollvereine beizutreten, wurde verlängert bis zum Jahre 1841, weil 
der preußisch-bairische Vertrag bis zu diesem Jahre währte. Die Durch- 
fuhrzölle auf den großen das Ausland mit dem Auslande verbindenden 
Straßen sollten nur nach gemeinsamer Verabredung verändert werden. 
Es lag auf der Hand, daß dieser Artikel allein bestimmt war, den Verkehr 
zwischen Preußen und Baiern zu erschweren, die Wiederholung der Go- 
thaer und Meininger Vorgänge zu verhindern. Preußen versuchte auch 
sofort den Beschluß zu hintertreiben. Eichhorn schrieb an Bülow in 
London: „von der kurhessischen Regierung ist man schon lange gewohnt, daß 
sie das Verkehrte thut und keine Verhältnisse achtet“; unbegreiflich aber 
sei Hannovers Verhalten; der Gesandte solle daher in London nach- 
drückliche Beschwerden erheben.“) Trotzdem ging der Beschluß durch, und 
nach dieser unzweideutigen Feindseligkeit bestimmte man in Cassel noch, 
daß Sachsen, Hannover und Kurhessen im Namen des Vereines Ver- 
handlungen mit Preußen eröffnen sollten — jenes Kurhessen, das sich 
in den gröbsten Beleidigungen gegen den Berliner Hof erging! 
Im Uebrigen blieb auch dieser zweite Vertrag nahezu inhaltlos; 
keine irgend erhebliche Verkehrserleichterung war vereinbart. Daher erhob 
sich sofort nach dem Abschlusse des Vertrags überall heftiger Widerstand. 
Die Ratification konnte erst im April 1830 erfolgen. Meiningen und 
Gotha versagten ihre Zustimmung. Die reußischen Länder folgten am 9. Dee. 
1829 dem Beispiel ihrer Nachbarn, sie vereinbarten mit Preußen Han- 
delserleichterungen und Straßenbauten und versprachen dem preußischen 
oder dem bairischen Vereine beizutreten, sobald sie ihrer Pflichten gegen 
  
*) Eichhorn an Bülow, 18. Sept. 1829.
	        
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